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Voltige
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«Das wird ein riesiges Fest des Voltigesports!»

19 Dezember 2022 08:00

Über den Lautsprecher kündet der Speaker die Athleten an, begleitet von frenetischen Zurufen der Fans, Fahnen und Lichtspielen in den Farben des einlaufenden Teams. Es herrscht eine magische Stimmung in der Sporthalle, die Anspannung und Vorfreude sind nahezu greifbar. Sie denken spontan an Eishockey? Naheliegend. Die visionäre Gabie Laffer denkt hingegen an Voltige - und lädt im Sommer 2024 die Weltelite dieser faszinierenden Sportart nach Bern in die PostFinance-Arena des Schlittschuhclubs Bern ein!

Gabie Laffer und Lukas Heppler vor der PostFinance-Arena, wo die Welt- und die Europameisterschaften 2024 stattfinden werden. | © SVPS/N.Niklaus Gabie Laffer und Lukas Heppler vor der PostFinance-Arena, wo die Welt- und die Europameisterschaften 2024 stattfinden werden. | © SVPS/N.Niklaus

Auf den ersten Blick ein völlig verrücktes Vorhaben, tonnenweise Sand in die Berner Eishockey-Hochburg, die PostFinance-Arena, zu schaffen, um dort die Weltmeisterschaft der Elite und die Europameisterschaft der Junioren und Jungen Voltigierer auszutragen. Eine Gratwanderung zwischen Genie und Wahnsinn ganz nach dem Geschmack der OK-Präsidentin Gabie Laffer, die mit ihrem ansteckenden Optimismus und ihrem unermüdlichen Tatendrang ein hochmotiviertes Team um sich geschart hat. Das «Bulletin» sprach mit ihr über Träume, Herausforderungen und die Faszination des Voltigesports.

 

Gabie Laffer, was war das für ein Gefühl, als der internationale Pferdesportverband (FEI) Bern den Zuschlag gab für die Austragung der Weltmeisterschaft der Elite und die Europameisterschaft der Junioren und Jungen Voltigierer?

Die beiden Kandidaturen liefen nicht gleichzeitig. Zunächst erhielten wir im Juni 2021 den Zuschlag für die WM, ein Jahr später dann für die EM. Schon an den Vorgesprächen mit dem SVPS und schliesslich mit der FEI war die Anerkennung für unsere Vorarbeit und das Bewerbungsdossier gross. Die Stadt Bern hat uns bei unserem Vorhaben von Anfang an tatkräftig unterstützt und uns vieles möglich gemacht. Auch der Kanton Bern und der Bund standen stets hinter dem Projekt.

Als wir schliesslich den Zuschlag für beide Meisterschaften erhielten, waren wir natürlich erleichtert und überglücklich. Es war ein Traum, der in Erfüllung ging! Nun konnte die Organisation des Grossanlasses endlich richtig Fahrt aufnehmen.

Eines der Aushängeschilder des Schweizer Voltigesports, Nadja Büttiker, an der WM 2022 in Herning (DEN) | © Daniel Kaiser Eines der Aushängeschilder des Schweizer Voltigesports, Nadja Büttiker, an der WM 2022 in Herning (DEN) | © Daniel Kaiser

Wie sind Sie überhaupt zum Voltigesport gekommen?

Durch meine Tochter Li. Sie wollte im Alter von 9 Jahren mit dem Reiten beginnen. Damals - das war 2001 - wurde uns empfohlen, sie solle es doch zunächst mit Voltige probieren, bis sie etwas grösser sei. Li hatte Talent und bald bestritt sie ihre ersten Turniere. Aktuell ist sie zusammen mit Ilona Hannich Schweizermeisterin der Kategorie Pas-de-Deux S!

Es hat mich fasziniert, wie im Voltige Kraft und Beweglichkeit, Kunst und Athletik, Ausdauer und Leichtigkeit miteinander verschmelzen. Das Engagement der Athletinnen und Athleten der nationalen Elite, aber auch im Nachwuchsbereich ist enorm, und der Sport wird immer professioneller.

 

Sie und Ihr Team haben bereits mehrere internationale Voltigeturniere (CVI) in Bern organisiert. Was hat sie daran gereizt?

Ich habe meinen beruflichen Hintergrund im Marketing und habe schon verschiedene Sportevents im Beachvolleyball, Street Soccer oder Snowboard organisiert. So kam irgendwann zusammen mit dem späteren Co-Präsidenten und heute noch aktiven Voltigierer Lukas Heppler die Idee auf, einen CVI in Bern zu organisieren. Innerhalb von nur neun Monaten stellten wir mit einem kleinen Team im Sommer 2015 den ersten CVI auf die Beine.

Nach der ersten Ausgabe meldeten sich dann auch Leute, die mithelfen wollten. So wuchs ein solides OK, und man konnte die Aufgaben besser aufteilen. Und irgendwann haben wir uns gesagt: «Für das zehnte Jahr brauchen wir etwas Besonderes!» So entstand die Idee der Welt- und der Europameisterschaft 2024.

Lukas Heppler ist selbst aktiver Voltigierer wie hier an der WM 2022 in Herning (DEN). | © Dirk Caremans Lukas Heppler ist selbst aktiver Voltigierer wie hier an der WM 2022 in Herning (DEN). | © Dirk Caremans

Was ist die grösste Herausforderung bei der Organisation einer solchen Veranstaltung?

Die Herausforderungen sind natürlich vielfältig, und viele davon sind bei einem CVI und einer EM oder WM dieselben - vielleicht in einer anderen Grössenordnung. Aber die Erfahrung aus den vielen CVI hilft uns natürlich sehr!

Zum einen ist da die logistische Seite. Man muss den Voltigesport und seine Besonderheiten schon sehr gut kennen, um ein solches Turnier auf die Beine stellen zu können. Die Abläufe und Anforderungen an die Location sind in verschiedenen Bereichen ganz anders als in anderen Pferdesportdisziplinen.

In der Schweiz ist bei internationalen Pferdesportveranstaltungen auch der Grenzübertritt der Pferde immer ein wichtiges Thema. Hier haben wir sehr gute Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit der Zollagentur Krafft gemacht, wodurch die Ein- und die Ausreise für alle Teilnehmenden deutlich vereinfacht werden konnten.

Auch die Sponsorensuche ist eine Herausforderung, da unserem Sport noch immer das Image der Freizeitbeschäftigung für Kinder oder von Zirkusklamauk anhaftet. Dieses Image konnten wir in den letzten Jahren zwar schon gut korrigieren, aber es bleibt eine Herausforderung, Sponsoren für diesen Spitzensport zu finden. Der Voltigesport ist in der jüngsten Vergangenheit extrem professionell geworden. Die Athletinnen und Athleten trainieren hart und vielseitig: Kraft, Ausdauer, Tanz, Kunstturnen - all das gehört dazu! Auch der SCB, mit dem wir die Gespräche für die PostFinance-Arena geführt haben, war sofort begeistert und beeindruckt vom Voltigesport. Für Bern2024 suchen wir aber noch Sponsoren, denn wir sind auf weitere finanzielle Unterstützung angewiesen. Wir wünschen uns eine breit aufgestellte, regionale und lokale Palette an Sponsoren, die sich für diesen tollen Event engagieren möchten. Ausserdem kann der Rahmen unserer Meisterschaften gerne auch beispielsweise für Firmenanlässe, Workshops oder VIP-Angebote genutzt werden.

Natürlich wäre es schön, wenn wir auch Preisgelder auszahlen könnten. Diese sind im Voltigesport leider nahezu inexistent, obwohl die Ausgaben der naturgemäss grossen Delegationen beträchtlich sind. Das wird heute praktisch alles aus den privaten Taschen der Athletinnen und Athleten bezahlt

Gabie Laffer und Lukas Heppler: Ein eingespieltes Team, das tolle Meisterschaften verspricht! | © SVPS/N.Niklaus Gabie Laffer und Lukas Heppler: Ein eingespieltes Team, das tolle Meisterschaften verspricht! | © SVPS/N.Niklaus

Nun kommt es 2024 also zum «Schaulaufen» der Akrobatinnen und Akrobaten des Pferdesports in der PostFinance-Arena. Ein verrücktes Unterfangen! Wie muss man sich das logistisch vorstellen?

Schon vor vier Jahren sind wir mit unserer Idee an Reto Nause als Vertreter der Stadt Bern herangetreten. Wir haben die PostFinance-Arena besichtigt und rasch die Unterstützung der Stadt Bern und des SCB erhalten.

Für die Unterbringung der Pferde können wir glücklicherweise auf das Nationale Pferdezentrum Bern zählen, das sich in unmittelbarer Nähe der PostFinance-Arena befindet. Während der Meisterschaften werden auf dem Gelände von BernExpo in den Ausstellungshallen vier bis sechs Aufwärmbereiche eingerichtet, von wo aus man über eine geschwungene Rampe und einen Tunnel in die PostFinance-Arena gelangt. Dort befindet sich dann nochmals ein Vorbereitungsbereich und der Wettkampfzirkel mit über 3000 Zuschauerplätzen. Der Sand wird von der Firma Parkway angeliefert, wobei eine Zufahrt mit grossen Lastwagen in die Arena nicht möglich ist. Der Sand muss also auf kleinere Fahrzeuge umgeladen werden, um in den Sportbereich zu gelangen. Insgesamt benötigen wir rund 900 Tonnen Sand für den Aufwärmbereich und den Wettkampfzirkel.

Wir rechnen für Bern2024 mit über 400 Athletinnen und Athleten samt Staff aus 25 Nationen mit rund 120 Pferden. Das wird ein riesiges Fest des Voltigesports!

Der Voltigesport kombiniert Kraft und Beweglichkeit und vereint Athletinnen und Athleten unterschiedlichen Alters im gleichen Team. | © Daniel Kaiser Der Voltigesport kombiniert Kraft und Beweglichkeit und vereint Athletinnen und Athleten unterschiedlichen Alters im gleichen Team. | © Daniel Kaiser

Wie sieht es mit den personellen Ressourcen aus?

Nebst dem, was heute schon neben unseren Jobs läuft, werden Lukas Heppler als Sportdirektor und ich als Head of Championships ab etwa Mitte 2023 intensiv mit der Organisation von Bern2024 beschäftigt sein. Gerne würden wir ein professionelles Sekretariat aufbauen - das ist aber ganz von der Finanzlage abhängig.

Zusätzlich benötigen wir für Bern2024 rund 150 Volunteers, beispielsweise in den Bereichen Gastro, Medien, Finanzen oder VIP-Betreuung, aber auch bei den Ställen und in den Sporthallen. Ideal wäre, wenn wir für gewisse Schlüsselpositionen bereits am CVI Bern 2023 auf diese Volunteers zählen können, damit wir sie in ihre Aufgaben einführen können. Interessierte können sich sehr gerne über die Website www.bern2024.ch bei uns melden. Im PR-Bereich arbeiten wir zudem mit der Berner Agentur Newsroom zusammen.

 

Was erwarten Sie langfristig von einem Grossanlass wie Bern2024?

Der Voltigesport hat in den letzten Jahren immer mehr Fans gefunden, und ich denke, eine Veranstaltung wie Bern2024 wird einen regelrechten Voltige-Boom in der Schweiz auslösen. Unser Sport vereint Werte wie Teamwork und Leadership wie kaum ein anderer. Der respektvolle Umgang mit dem Partner Pferd, aber auch mit den anderen Teammitgliedern unterschiedlichen Alters und Geschlechts - man muss sich gegenseitig blind vertrauen und in luftiger Höhe und auf engem Raum rasche und folgerichtige Entscheidungen treffen. Das alles sind Werte, die für unsere gesamte Gesellschaft wertvoll und zukunftsweisend sind.

Auch mit dem CHI Basel, der 2024 und 2025 den Weltcupfinal im Voltige veranstaltet, pflegen wir einen engen Austausch. 2025 wird unserem Sport dank den parallel stattfindenden Weltcupfinals im Springen und in der Dressur nochmals ein ganz anderes Parkett geboten, was dem Voltigesport in der Schweiz weiteren Auftrieb und noch grössere Bekanntheit verleihen wird.

Auch in Bern wird es nach 2024 mit Voltige der Extraklasse irgendwie weitergehen. Es gibt noch keine konkreten Pläne, aber 2025 wird die neue Festhalle fertiggestellt sein. Wer weiss, welche Möglichkeiten sich dem schönsten Sport der Welt da noch bieten werden!

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

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