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«Das Freizeitreiten wird mit all den neuen Formen immer wichtiger»

14 Juli 2020 08:00

Mit dem Beginn des neuen Jahrzehnts hat sich der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) intensiv mit seiner Zukunftsstrategie auseinandergesetzt. Da die Regionalverbände wichtige Pfeiler des SVPS sind, will das «Bulletin» in einer Serie deren Präsidentinnen und Präsidenten das Wort geben, um über ihre künftigen Herausforderungen und Strategien zu sprechen. In dieser Ausgabe spricht das «Bulletin» mit Manuela de Kalbermatten, der Präsidentin der Fédération Equestre Romande (FER) über Austausch, Leidenschaft und das Wohlbefinden des Pferdes.

Manuela de Kalbermatten geniesst die Stimmung an Amateurturnieren.  © PhotoBujard Manuela de Kalbermatten geniesst die Stimmung an Amateurturnieren. © PhotoBujard

Manuela de Kalbermatten ist als Beobachterin und Analytikerin eine ruhige Person, vielleicht liegt das auch ein klein wenig an der Sprachbarriere. Die Präsidentin der Fédération Equestre Romande, des Westschweizer Regionalverbands, ist jedoch definitiv keine, die mit der Tür ins Haus fällt. Vielmehr setzt sie sich für einen konstruktiven Dialog, Transparenz und das Pferd wie den Pferdesport im weitesten Sinn ein - und das mit sehr viel Herzblut.

 

«Bulletin»: Die FER gehört zusammen mit dem ZKV und dem OKV zu den drei grössten Regionalverbänden. Sie verfügt in der Mitgliederversammlung des SVPS über 18 Stimmen (ZKV 20, OKV 25, PNW 6 und FTSE 3). Manuela de Kalbermatten, in welche Richtung will sich die FER entwickeln, und was sind die drei Hauptthemen, die mittel- und langfristig für die FER wichtig sind?

Manuela de Kalbermatten: Erstens will die FER ihren Mitgliedern zuhören und sie vertreten, indem sie dem Schweizerischen Verband für Pferdesport in Bern ihre Wünsche, ihre Anliegen und ihre Kritik meldet. Sie wird weiterhin im Dienste ihrer Mitglieder stehen. Die drei Hauptthemen sind die Ausbildung, die Betreuung der Jugendlichen, d.h. des Nachwuchses und die Zukunft des Turniersports.

 

Warum sind diese Themen für Sie besonders wichtig?

Wir glauben, dass die Zukunft unseres Sports davon abhängt.

 

Wie unterscheiden sich die Herausforderungen für die FER von den zentralen Themen anderer Regionalverbände?

Ich denke, alle Regionalverbände befassen sich grundsätzlich mit den gleichen Themen. Wir diskutieren sie auch oft gemeinsam und halten uns über die Geschehnisse auf der anderen Seite des «Röstigrabens» auf dem Laufenden.

Was in der Deutschschweiz ganz anders ist, ist jedoch das Konzept der Klubs und Vereine. Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer gehören viel eher einem Verein, einer Gesellschaft oder einem Klub an. Das Mitglied hat Pflichten, die in der Westschweiz fast überall verloren gegangen sind. Ich denke, das hat viel damit zu tun, dass die Deutschschweizer Klubs oft eine eigene Anlage (Paddock oder Landstück) besitzen. Die Mitglieder müssen also ihre Zeit für verschiedene Wartungsarbeiten usw. zur Verfügung stellen. Das gibt es in der Romandie so eigentlich nicht, denn die Reiter sind einem Reitzentrum, einer Reitanlage angeschlossen und eben nicht zwingend einem Verein.

 

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit anderen Regionalverbänden und mit dem SVPS?

Diese stellen wir durch regelmässigen und transparenten Austausch sicher. Bevor ich die FER-Präsidentschaft übernommen habe, habe ich immer gehört, dass es unmöglich sei, beim SVPS etwas zu ändern, da die Deutschschweizer ein Monopol hätten und in der Mehrheit seien. Dann habe ich mein Glück versucht, habe die anderen Regionalverbände getroffen (trotz der Sprachschwierigkeit, denn ich spreche nicht gut Deutsch!) und stellte fest, dass sie die gleichen Probleme und Sorgen hatten wie die FER und dass wir gemeinsam stärker sind, um uns in Bern Gehör zu verschaffen.

Mit dem SVPS war der Dialog zu einem bestimmten Zeitpunkt eher schwierig, die Informationen kamen nicht durch, wir hatten den Eindruck, dass wir einfach hingehalten und dann vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Dieses Gefühl hatten auch die anderen Verbände. Bei einer Sitzung im August 2016 konnten wir dann einige der Probleme identifizieren und gemeinsam mit den anderen Regionalverbänden auf den Tisch bringen. Seither haben sich die Zusammenarbeit, die Kommunikation und der Informationsfluss deutlich verbessert, und die Verbände arbeiten zusammen. Auch die Schaffung der neuen digitalen Kommunikationsplattform des SVPS für den Austausch mit den Mitgliederverbänden ist ein grosses Plus.

Hat als FER-Präsidentin schon so manches «Unwetter» durchgemacht: Manuela de Kalbermatten.  ©PhotoBujard Hat als FER-Präsidentin schon so manches «Unwetter» durchgemacht: Manuela de Kalbermatten. ©PhotoBujard

Sehen Sie Raum für Verbesserungen? Wenn ja, wo und in welchem Umfang?

Es gibt immer Raum für Verbesserungen, aber im Allgemeinen ist der Zusammenhalt da, der Dialog funktioniert gut, und auch wenn wir nicht immer die gleiche Ansicht vertreten wie unsere Deutschschweizer Kollegen, tauschen wir uns doch aus, und die Information fliessen, was die Hauptsache ist. Mit dem SVPS ist es das Gleiche: Die Informationen werden weitergegeben, wie wir das auch in letzter Zeit während der COVID-19-Krise gesehen haben. Der SVPS-Vorstand hat die Dinge in die Hand genommen. Ich habe diesbezüglich viele positive Rückmeldungen aus der Westschweiz erhalten.

 

Verfügen Sie über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen, die sich ehrenamtlich engagieren und dies mit der nötigen Professionalität und Kompetenz tun?

Alle Vorstandsmitglieder und technischen Delegierten sind sehr bescheiden bezahlte Freiwillige. Es wird immer schwieriger, Freiwillige zu finden, die sich engagieren und ihre Zeit zur Verfügung stellen, denn die Menschen, die sich engagieren, werden oft kritisiert, statt dass man ihnen dankt und sie motiviert. Und oft sind es überall die gleichen Personen, die arbeiten. Wer sich allerdings einmal engagiert, tut dies grundsätzlich kompetent und professionell und zählt seine Stunden nicht, sondern tut es aus Leidenschaft und Liebe zum Sport und zu den Pferden.

 

Wie gehen Sie mit Konflikten innerhalb des Regionalverbands um?

Der Dialog ist der beste Weg zur Konfliktlösung. Offen und ruhig zuhören, hilft Lösungen zu finden. Wir haben selten Konflikte.

 

Was gefällt Ihnen an der Präsidentschaft der FER?

Der Austausch, die Leidenschaft, auch die Genugtuung, vielleicht einen Wandel oder die Modernisierung bestimmter kleiner Dinge gefördert zu haben, die Annäherung und der Dialog mit den regionalen Vereinen und auch der Dialog und der Austausch mit den Reitern der Westschweiz.

 

Was war das Schwierigste während Ihrer bisherigen Amtszeit?

Das Jahr 2016, die Spannungen mit dem SVPS-Vorstand und die Implementierung des neuen Online-Nennsystems ONS.

Früher war Manuela de Kalbermatten selbst aktive Turnierreiterin, 
heute führt sie die Enkeltochter in den Wettkampfsport ein.
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<br />A une époque, Manuela de Kalbermatten était elle-même cavalière de concours. Aujourd’hui, elle épaule sa petite fille qui fait ses premiers pas dans le sport de compétition. Früher war Manuela de Kalbermatten selbst aktive Turnierreiterin, heute führt sie die Enkeltochter in den Wettkampfsport ein. © PhotoBujard

Sind Sie selbst aktive Pferdesportlerin? Was fasziniert Sie am Pferdesport?

Ich reite noch immer regelmässig, aber ich starte nicht mehr an Turnieren. Ich bin ein echter Pony-Fan und freue mich sehr darauf, meine Enkeltochter, die am 15. März zum ersten Mal hätte starten sollen, als Trainerin, Groom und Sponsorin zu unterstützen! Die Beziehung zum Pferd, diese Kraft, die Pferde haben, Menschen, die sich um sie kümmern, zu verändern - das fasziniert mich sehr.

 

Wie wird sich der Pferdesport Ihrer Meinung nach entwickeln? Wie wird der Pferdesport in 10, 20 oder 50 Jahren aussehen?

Ich denke, dass die verschiedenen Disziplinen weiterhin präsent und attraktiv sein werden. Das Freizeitreiten wird mit all den neuen Formen (Ethologie, Pat Parelli, Bodenarbeit, Equifeel, Equifun usw.) immer wichtiger. Reiter und Pferdeliebhaber aller Disziplinen suchen mehr und mehr das Wohlbefinden des Pferdes, sie versuchen immer mehr neue Ansätze, welche die Funktionsweise und die Persönlichkeit von Pferden erklären, was eine gute Sache ist: Je besser man versteht, was man tut, desto eher kommt man an sein Ziel.

Ich denke, dass der Leistungssport im Pferdesport immer mehr in zwei Hälften gespalten wird, mit Wettkämpfen für Profis, die eher seelenlos und wenig gesellig sein werden, wo es nur darum geht, die Pferde vorzustellen, und andere kleinere Turniere für Amateure, die hoffentlich nicht von den grossen professionellen Organisatoren erdrückt werden.

Manuela de Kalbermatten an der Präsidentenkonferenz des SVPS im Februar 2020.  ©SVPS Manuela de Kalbermatten an der Präsidentenkonferenz des SVPS im Februar 2020. ©SVPS

Was wünschen Sie sich für den Schweizer Pferdesport und für die FER?

Ich hoffe, dass der Pferdesport nicht übermässig professionell wird, dass er nicht dem Gesetz des Geldes unterliegt. Dass der Sport für möglichst viele Menschen zugänglich bleibt und dass er nicht unzähligen Regeln und Verboten höherer Behörden oder des Tierschutzes unterworfen wird.

In den letzten Jahren hatte die Pferdebranche nur ein Wort auf den Lippen: das Wohlbefinden der Pferde. Dies ist ein sehr wichtiger Begriff in unserem Sport, und seine Wichtigkeit steht ausser Frage. Allerdings dürfen wir uns keinesfalls von Organisationen ausserhalb der Pferdewelt, denen das Fachwissen fehlt, Regeln diktieren lassen. Ich hoffe, dass die schwierige Zeit, die wir gerade durchgemacht haben, bestimmte Dinge an den richtigen Platz rücken wird, dass wir die Art und Weise überprüfen werden, wie bestimmte exzessive Ereignisse ablaufen.

Die folgenden Worte des Pferdesport-Grossveranstalters Christophe Ameeuw vom 25. März 2020 haben mir sehr gut gefallen: «Diese Weltkrise zeigt unsere Zerbrechlichkeit, lehrt uns Demut und wird uns sehr bald dazu auffordern, uns der Situation zu stellen. Wir müssen diese Krise nutzen, um uns neu zu erfinden, um uns neu zu organisieren, um uns zu strukturieren, indem wir einen Platz für unseren Sport in dieser neuen Welt finden, wobei wir uns bewusst werden müssen, dass diese neue Welt unsere Gartenpartys, unsere Lastwagen, die Häuser transportieren könnten aber nur mit drei Pferden beladen sind, unsere ultrakurzlebigen, überentwickelten Strukturen für drei oder vier Wettkampftage wahrscheinlich nicht mehr tolerieren wird.»

Zusammenfassend hoffe ich, dass wir unseren Sport weiterhin mit Sorge um das Wohlbefinden unserer Pferde und unseres Planeten ausüben werden und dass wir an regionalen Turnieren mit Festwirtschaft teilnehmen können, wo wir unsere Gewinne für ein freundschaftliches Essen mit Freunden wieder ausgeben können.

Das Gespräch führte
Nicole Basieux

Die FER auf einen Blick

Gründung: 10. Juni 1999
Mitglieder: 10 Verbände - 6 kantonale Verbände (NEA, ASCJ, AVSH, FFSE, FGE, SCV) plus ASRE, CR, PSR, RWRA - insgesamt ca. 9250 Personen
Disziplinen: 9
Web: www.ferfer.ch

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