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«Den OKV wird es auch in dreissig Jahren sicher noch geben»

28 April 2020 08:00

Mit dem Beginn des neuen Jahrzehnts hat sich der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) intensiv mit seiner Zukunftsstrategie auseinandergesetzt. Da die Regionalverbände wichtige Pfeiler des SVPS sind, will das «Bulletin» in einer Serie deren Präsidentinnen und Präsidenten das Wort geben, um über ihre künftigen Herausforderungen und Strategien zu sprechen. Den Anfang macht Michael Hässig, der Präsident des Verbands Ostschweizerischer Kavallerie- und Reitvereine (OKV).

In seiner Rolle als OKV-Präsident stellt Michael Hässig auch gerne unbequeme Fragen, hier an der Präsidentenkonferenz des SVPS im Februar 2020. (© SVPS/ C. Heimgartner) In seiner Rolle als OKV-Präsident stellt Michael Hässig auch gerne unbequeme Fragen, hier an der Präsidentenkonferenz des SVPS im Februar 2020. (© SVPS/ C. Heimgartner)

Der OKV ist mit seinen rund 17 000 angeschlossenen Pferdesportlerinnen und -sportlern der grösste Regionalverband der Schweiz. Somit ist seine strategische Ausrichtung bis zu einem gewissen Punkt richtungsweisend für die gesamte Schweizer Pferdesportbranche.

 

«Bulletin»: Bevor wir in die Zukunft schauen, werfen wir doch einen Blick zurück. Was sind die Wurzeln des OKV?

Michael Hässig: Der OKV wurde 1856 von Kavallerieoffizieren als erster Reitverein der Schweiz gegründet. Seine Verbandsstruktur ist bis heute von dieser militärischen Vergangenheit geprägt, auch wenn das Militär im modernen OKV keine Rolle mehr spielt. So gehen die sechs Sektoren des OKV, d.h. die regionalen Unterteilungen auf die Einzugsgebiete der früheren Kavallerieregimenter zurück. Diese wiederum waren von den damaligen Eisenbahnlinien vorgegeben, denn die Pferde fuhren mit dem Zug in den Dienst. Das führt zu einer - aus heutiger Sicht - etwas speziellen Sektoreneinteilung, die nicht mehr den heutigen Strassenverkehrswegen entspricht. Ich hatte schon einmal angeregt, diese Sektoreneinteilung den jetzigen Realitäten anzupassen, wurde aber sofort ausgebremst. Das zeigt, dass die Vereine in den einzelnen Sektoren einen traditionell engen Zusammenhalt haben und daran festhalten möchten.

 

Der OKV ist ein grosser Verband. Wie ist er strukturell aufgebaut?

Nebst der regionalen Vertretung der rund 150 Reit-, Fahr- und Pferdezuchtvereine in den sechs Sektoren sind auch alle Disziplinen in den zehn Ressorts abgebildet. Dazu kommen noch die Gremien für die Verbandstätigkeiten im engeren Sinne, wie die Finanzen, die Kommunikation, der Rechtsdienst usw.

 

Welches Organ gibt die strategische Ausrichtung des OKV vor?

Im Grunde sind dies die angeschlossenen Vereine. Sie können den Vorstand verpflichten, die Verbandsstrategie zu überprüfen oder zu ändern. Solche Anträge werden über die Sektoren in den Vorstand getragen und dort diskutiert. Die Haltung des Vorstandes wird an den Sektorsitzungen präsentiert und an der Delegiertenversammlung (DV) zur Abstimmung gebracht. Schlussendlich ist es also die DV, die über die Strategie entscheidet.

Der OKV ist aber nicht nur ein grosser Verband, sondern verfügt auch über einen grossen Vorstand von 23 Personen. Das führt sicher zu gewissen Schwerfälligkeiten an Vorstandssitzungen. Ich hatte einmal angeregt, schlankere Strukturen zu schaffen. Aber eine solche Modernisierung fand keinen Anklang. Auf der anderen Seite zeigt gerade die Tatsache, dass Sitzungen oft auch etwas länger dauern, dass die Vertreterinnen und Vertreter im Vorstand sehr aktiv und engagiert sind. Das finde ich sehr erfreulich.

Alle engagieren sich ehrenamtlich. Es gibt keinen Lohn. Jedoch wird ein Sitzungsgeld bezahlt, und die Spesen werden abgegolten.

Prof. Dr. med. vet. Michael Hässig an seinem Arbeitsort, dem Tierspital Zürich. (© SVPS/C. Heimgartner) Prof. Dr. med. vet. Michael Hässig an seinem Arbeitsort, dem Tierspital Zürich. (© SVPS/C. Heimgartner)

Ist es für den OKV schwierig, seine Ämter mit Freiwilligen zu besetzen?

Grundsätzlich nein - und das ist sehr erfreulich! Es ist aber manchmal nicht ganz einfach, für Positionen, die spezifische Fachkenntnisse erfordern, Kandidaten zu finden, welche die entsprechenden beruflichen Qualifikationen mitbringen und ehrenamtlich im Pferdesport einbringen möchten. Dies betrifft beispielsweise den Bereich Kommunikation oder auch die Finanzen. Der OKV setzt jährlich zwischen 300 000 und 600 000 Franken um. Da brauchen wir jemanden, der sich in der Buchhaltung sehr gut auskennt!

 

Wie stellt der OKV sicher, dass die Bedürfnisse der Pferdesportlerinnen und Pferdesportler wahrgenommen werden?

Dem OKV sind 154 Vereine angeschlossen, die insgesamt zwischen 17 000 und 18 000 Pferdesportlerinnen und Pferdesportler vertreten. Vertreter dieser Vereine treffen sich jeweils an der Delegiertenversammlung, dem obersten Gremium des OKV. Die Delegiertenversammlung wird immer über zwei Tage abgehalten, wobei gerade der gemütliche Abend zwischen den beiden offiziellen Sitzungen nicht zu unterschätzen ist. Hier kommen oft sehr spannende Gespräche zustande.

Ausserdem finden zweimal jährlich Sektorsitzungen statt. Dort treffen sich die Vertreter der Vereine der einzelnen Sektoren, um zu besprechen, was wir vom Vorstand zur Diskussion «von oben» eingeben, und umgekehrt werden dort Anträge der Sektoren zuhanden des Vorstands gestellt. An den Sektorsitzungen kommen etwa 20 Leute pro Sektor zusammen, was eine gute Grösse ist, um alle Meinungen anzuhören und zu berücksichtigen.

 

Was sind die aktuell grössten Herausforderungen, die der OKV zu bewältigen hat?

Die Zeit dieses Interviews wird klar von der aktuellen SARS-CoV2-Pandemie dominiert. Hier gilt es, den Entscheidungsgremien klarzumachen, dass Reiten nicht nur Sport, sondern auch Pferdebewegen im Sinne des Tierschutzgesetzes ist.

Der OKV wird sicher auch gefordert sein, wie es nach der Pandemie mit dem Pferdesport weitergeht. Es geht um Fragen wie: Welche Turniere werden abgesagt und welche verschoben, ohne die Pferde dann zu überlasten? Wie kann gewährleistet werden, dass die Veranstalter sich gegenseitig nicht allzu sehr konkurrenzieren?

Im Weiteren müssen wir an unsere Sponsoren denken - meist KMU, die eine schwere Zeit vor sich haben. Was können wir tun, damit wir weiterhin auf langjährige Sponsoren zählen können? Hier muss noch nach Lösungen gesucht werden. Da dies individuell geschehen muss, wird es unumgänglich sein, gewisse Reglemente anzupassen, damit sich die Flexibilität erhöht.

An dieser Stelle will ich dem SVPS ein grosses Lob aussprechen: Er hat sich bisher jederzeit und sehr sachbezogen eingebracht.

100-Jahr-Jubiläum des KV Unterrheintal. Von rechts: Michael Hässig mit Carea, der Stute seiner Frau, der Chef des OKV-Sektors 5 Martin Würzer und die OKV-Aktuarin Barbara Urech Hässig auf Gloom, dem Dienstpferd ihres Mannes Michael Hässig. (Foto: zVg) 100-Jahr-Jubiläum des KV Unterrheintal. Von rechts: Michael Hässig mit Carea, der Stute seiner Frau, der Chef des OKV-Sektors 5 Martin Würzer und die OKV-Aktuarin Barbara Urech Hässig auf Gloom, dem Dienstpferd ihres Mannes Michael Hässig. (Foto: zVg)

Welche Fragen möchte der OKV mittelfristig angehen?

Ein Thema, das mittelfristig auf den Tisch kommt, ist das Nationale Pferdezentrum Ostschweiz. Mit Dielsdorf, Frauenfeld und St. Gallen bestehen drei ganz unterschiedliche Projekte. Dielsdorf würde schon fast bereitstehen, in Frauenfeld gibt es noch einige Unsicherheiten, und St. Gallen könnte zusammen mit dem CSIO neu aufgebaut werden. Für den OKV ist das strategische Ziel, optimale Trainingsbedingungen anbieten zu können, und zwar dann, wenn es für uns nützlich ist. Wenn wir beispielsweise unser Juniorenlager organisieren, sind wir zeitlich stark eingeschränkt, da wir die Schulferien in zehn Kantonen berücksichtigen müssen. Und wenn dann genau in der Zeit, die für die Junioren passen würde, keine Anlage zur Verfügung steht, ist das sehr ärgerlich. Wir brauchen einen Trainingsort mit Stallungen und Unterkünften, damit wir keine Zeit und keine Ressourcen für die Transporte von Pferden und Reitern verschwenden müssen.

 

Und was beschäftigt den OKV auf lange Sicht?

Auch wir spüren, dass das Freizeitreiten in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Diese Thematik hat zahlreiche Aspekte und Facetten, die man berücksichtigen muss. Grundsätzlich definieren wir den «Freizeitreiter» als jenen Reiter, der nicht an Ranglisten interessiert ist.

Die eigentlichen Freizeitreiter sind für die Vereine heute eine Herausforderung. Sie möchten sich am Concours nicht unbedingt als Helfer engagieren und haben andere Bedürfnisse. Dennoch ist die solide Ausbildung auch dieser Pferdefreunde enorm wichtig. Hier sehen wir vom OKV auch eine Verantwortung.

Eine weitere Thematik, die alle Reiterinnen und Reiter, gerade auch diejenigen im Freizeitbereich, etwas angeht und die uns in Zukunft weiterhin stark beschäftigen wird, ist die Erhaltung von Reitwegen. Oft ist es so, dass Wege nach Belagserneuerungen mit einem Reitverbot versehen werden, damit der Belag sich festigen kann. Die Behörden vergessen dann aber manchmal, ihn wieder zu öffnen, oder scheuen den administrativen Aufwand, da es sich beim Reitverbot um eine amtliche Beschilderung handelt. Hier haben wir gute Erfahrungen gemacht mit Reitverbotsschildern des OKV. Darauf ist unser Logo abgebildet sowie ein Ablaufdatum des Reitverbots. Wir stellen diese den Gemeinden zur Verfügung und verfolgen damit ein doppeltes Ziel: Die Gemeinden können ihre Wege wenn nötig vorübergehend sperren, was von den Reitern nicht zuletzt dank des OKV-Logos gut akzeptiert wird. Dank dem Ablaufdatum gehen die Wege den Reitern aber nicht verloren, und die Behörden müssen Verbote nicht auf dem Amtsweg schliessen und öffnen.

Ausserdem kommen im Bereich der Raumplanung und der Agrarpolitik neue Herausforderungen auf uns zu. Hier müssen wir die Zusammenarbeit mit den Landwirtschaftskreisen suchen und ein Verständnis für die Pferdehaltung schaffen. Denn die Landwirtschaft profitiert auch von den Pferdehaltern. Beispielsweise nehmen wir den Landwirten grosse Mengen Heu, Stroh und Getreide ab, und auch der Boden unseres Weidelands ist von hervorragender Qualität, da wir möglichst auf Pestizide verzichten.

 

Kann man zusammenfassend sagen, dass es im OKV in dem Sinn keine globale Strategie gibt, sondern man aktuelle Herausforderungen anpackt, wenn sie auftreten?

Unsere Strategie ist, die Wünsche und Anliegen der uns angeschlossenen Vereine aufzunehmen und möglichst gute Lösungen zu finden.

Wir möchten uns dafür einsetzen, die Zusammenarbeit mit anderen Interessengruppen zu suchen, um gemeinschaftliche Lösungen für ein gemeinsames Ziel zu finden. Ein Beispiel sind andere Sportarten, mit denen zusammen man sich bei den Behörden dafür einsetzt, dass man den öffentlichen Raum für unseren jeweiligen Sport nutzen kann.

Ausserdem ist es uns ein Anliegen, die regionalen Politiker für die Bedürfnisse des Pferdesports zu sensibilisieren. Beispielsweise mit einem Politbrunch im Rahmen des Pfingstturniers in Frauenfeld, zu dem Regionalpolitiker und Amtsdirektoren aus den Bereichen Sport und Landwirtschaft mit ihren Familien eingeladen sind, damit sie den Pferdesport in entspanntem Rahmen näher kennenlernen können.

 

Wird es den OKV in dreissig Jahren noch geben?

Den OKV wird es auch in dreissig Jahren sicher noch geben. In welcher Form das sein wird, kann man heute nicht sagen. Entscheidend wird nicht zuletzt sein, wie die Frage der Freizeitreiter geregelt wird.

Für die Concoursreiter hat die regionale Verankerung einen hohen Stellenwert. Auch wenn wir es mit einem Individualsport zu tun haben, ist der regionale Wettkampf in der Gruppe, beispielsweise der OKV-Cup, sehr wichtig.

Der OKV fühlt sich der Ostschweiz mit all ihren individuellen Besonderheiten sowie den Pferdesportlerinnen und -sportlern dieser Region verpflichtet und verbunden. Ganz nach dem Motto: «Der Basisreiterei verpflichtet.» Und so soll es auch noch viele Jahrzehnte bleiben.

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

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