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«Der Druck auf uns Rösseler wird zunehmen»

15 Juni 2020 09:00

Mit dem Beginn des neuen Jahrzehnts hat sich der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) intensiv mit seiner Zukunftsstrategie auseinandergesetzt. Da die Regionalverbände wichtige Pfeiler des SVPS sind, will das «Bulletin» in einer Serie deren Präsidentinnen und Präsidenten das Wort geben, um über ihre künftigen Herausforderungen und Strategien zu sprechen. In dieser Ausgabe spricht das «Bulletin» mit Bruno Invernizzi, dem Präsidenten des Zentralschweizerischen Kavallerie- und Pferdesportvereins (ZKV) über Zeit, Zukunft und Zusammenhalt.

Bruno Invernizzi auf dem «offiziellen Velo» des ZKV.  © Tamara Acklin Bruno Invernizzi auf dem «offiziellen Velo» des ZKV. © Tamara Acklin

Er ist jung, dynamisch, optimistisch, konsensorientiert, motiviert und ein leidenschaftlicher Pferdemensch: Bruno Invernizzi. Das Pferd steht für ihn ganz oben auf der Prioritätenliste, genauso wie sein Mandat als Präsident des ZKV. Viele Aufgaben und Herausforderungen stehen im zweitgrössten Schweizer Regionalverband an. Dank der offenen und positiven Herangehensweise des ZKV zeichnen sich am Horizont aber auch Lösungen ab.

 

«Bulletin»: Auf der Website des ZKV kann jeder nachlesen, was die Stossrichtungen und die Erwartungen der nächsten ein bis zwei Jahre des ZKV sind - und das sind so einige. Bruno Invernizzi, welches sind für Sie die drei wichtigsten Punkte?

Bruno Invernizzi: Das ist eine gute Frage. Für mich sind alle wichtig, ja, sogar sehr wichtig für unseren Verband! An unserem Klausurtag im Dezember 2019 haben wir den ersten Teil des Strategiepapiers 2030 aufgrund von unseren Stossrichtungen und Erwartungen ausgearbeitet. Nun gilt es, diese Entwicklungen für die Umsetzung fertig zu priorisieren.

Unabhängig von diesem Strategiepapier sind für mich insbesondere die Gesamtstrukturen, die Finanzen und die Ausbildung zentral und von grosser Wichtigkeit.

 

Warum liegen Ihnen gerade diese Themen am Herzen?

Im Hinblick auf die Strukturen stellt sich die Frage, ob unser Verbandssystem in den nächsten Jahren noch die gleiche Rolle bei der Interessenvertretung für das Pferd spielen wird. Wo zum Beispiel früher der Sport im Vordergrund stand, rückt die Thematik «Pferd in der Umwelt» immer mehr in den Fokus. Für den Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) als Dachverband heisst das, dass einzelne Bereiche entschlackt und andere aber stark professionalisiert werden müssen. Die Schwierigkeit liegt dabei darin, dass das System auf die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden muss, dabei effizienter, aber nicht teurer werden darf. Hier braucht es Visionen für die Zukunft des Dachverbandes, an denen wir zwingend mitarbeiten wollen. Immer mehr zeigt es sich, dass, um alle Interessen der Pferdewelt zu vereinen, eine Art Pferdebranchenorganisation ein möglicher Weg wäre. Für den ZKV als Regionalverband hat sich die regionale Verankerung und enge Zusammenarbeit mit den Reitvereinen bewährt, davon bin ich überzeugt, und ich möchte diese auch weiter pflegen. Aber auch hier müssen wir bestehende Strukturen laufend prüfen und bei Bedarf rasch anpassen. Derzeit beschäftigen uns auch Fragen wie: Sind so viele kleine Vereine das Richtige? Müssen wir neue Modelle kreieren? Müssen wir so viele Events noch durchführen, oder müssen wir umstrukturieren und uns auf das Wesentliche konzentrieren, allenfalls Veranstaltungen reduzieren, weglassen oder in andere Rhythmen legen?

Was die Finanzen angeht, soll der ZKV auf gesunden Beinen stehen, und das Geld soll wo immer möglich an unsere Mitglieder zurückfliessen. Wir haben nicht das Ziel, Vermögen anzuhäufen, sondern setzen uns dafür ein, dass das Geld wieder sinnvoll eingesetzt wird. An mehreren Mitgliederversammlungen des SVPS habe ich auf die Gebührenordnung und Abgaben aufmerksam gemacht. Sprechen wir davon, dass es Strukturanpassungen geben wird und geben muss, so sind diese Regelungen auch zu überprüfen. Es darf für die Vereine, für die Veranstalter, für die Reiter oder für diejenigen, die eine Ausbildung durchlaufen, nicht immer teurer werden. Wir müssen hier ein Gleichgewicht schaffen oder sogar eine Reduktion von Kosten erzielen.

Im Bereich der Ausbildung ist die neue Grundausbildung nun in vollem Gange. Hier gilt es, die gesammelten Erfahrungen zu analysieren und wo nötig Massnahmen zu treffen. Wichtig dabei ist, im Auge zu behalten, dass es ein Gesamtsystem ist, das für eine Mehrheit funktionieren muss. Es kann nicht jedes einzelne Bedürfnis berücksichtigt werden. Zu erwähnen ist auch, dass eine gute und seriöse Grundausbildung Zeit braucht. Eine solide Grundausbildung ist gerade in unserer schnelllebigen Zeit vonnöten, denn sie verschafft Wissen und sorgt für ein stabiles Fundament. Man wird nicht von heute auf morgen ein guter Rösseler!

 

Worin unterscheiden sich die Herausforderungen des ZKV von den Kernthemen anderer Regionalverbände? Gibt es überhaupt Unterschiede?

Bei den Kernthemen wie Pferdewohl, Vereinswesen, Reiter oder Pferd & Umwelt kämpfen wir sicher an der gleichen Front und stehen vor denselben Herausforderungen. Aber bei der Umsetzung gibt es gerade im föderalen System der Schweiz grosse regionale Unterschiede. Aus diesem Grund bin ich eben ein Verfechter der regionalen Verankerung meines Verbandes. Ganz im Sinne von «denke global, handle aber lokal».

Bruno Invernizzi als offizieller Vertreter des ZKV auf dem Turnierplatz.  © Tamara Acklin Bruno Invernizzi als offizieller Vertreter des ZKV auf dem Turnierplatz. © Tamara Acklin

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Regionalverbänden und mit dem SVPS?

Seit ich im Vorstand des ZKV bin, habe ich das Gefühl, dass sich die Zusammenarbeit auf allen Stufen kontinuierlich verbessert hat. Sei es mit den Regionalverbänden, aber auch mit dem SVPS. Wir pflegen einen sehr guten Austausch untereinander und ziehen wo immer möglich am selben Strick.

 

Sehen Sie Verbesserungspotenzial? Falls ja, wo und inwiefern?

Wir arbeiten daran. Zum Beispiel sollte die von den Mitgliedern geforderte und vom SVPS geschaffene Kommunikationsplattform noch mehr genutzt werden, um unseren Mitgliedern Informationen aus den verschiedenen Gremien zugänglich zu machen.

 

Wie wird im ZKV die Problematik bzw. der Konflikt zwischen Ehrenamtlichkeit und Professionalität gelöst? Haben Sie genügend Freiwillige, die sich einem Ehrenamt annehmen und dieses auch mit der nötigen Professionalität und Kompetenz ausführen?

Ich kann im ZKV auf einen super Vorstand zurückgreifen und mich auf alle Mitglieder voll verlassen. Ihre Arbeit wird aber zunehmend vielfältiger und komplexer. Daher sind sie zeitweise neben ihren beruflichen und privaten Verpflichtungen schon stark belastet. Aus diesem Grund haben wir uns Gedanken gemacht, wie wir eine Entlastung des Vorstandes und gleichzeitig eine Professionalisierung des Verbandes erreichen können. Zum Beispiel werden wir stellvertretende Spartenchefs schaffen, wir planen die Nachfolge der Vorstände langfristig und prüfen ernsthaft die Schaffung einer Geschäftsstelle. Ich bin überzeugt, dass wir mit solchen Massnahmen den Aufwand für ein Mandat beim ZKV im Rahmen halten können, damit sich auch in Zukunft so kompetente Leute wie heute finden lassen.

Obwohl es für jeden Reitverein zunehmend schwieriger wird, Leute zu finden, die sich ehrenamtlich engagieren, gibt es diese Leute zum Glück immer noch. An dieser Stelle möchte ich allen Freiwilligen, die sich auf allen Stufen der Pferdebrache mit Herzblut einsetzen, ganz herzlich danken! Solche Leute gilt es aktiv zu finden, zu überzeugen und sie dann gut zu pflegen.

 

Wie geht man im ZKV mit Interessenskonflikten um?

Wo Menschen und verschiedene Interessen zusammenkommen, sind auch Konflikte vorhanden, die man zuerst erkennen muss. Bei uns werden diese Konflikte analysiert und dann in einem Gespräch proaktiv angegangen. Wir pflegen die Kultur, dass wenn jeder einen Schritt auf den anderen zugeht, die Schritte vielleicht kleiner und damit nachhaltiger sind. Bis jetzt haben wir immer Lösungen gefunden.

Auch an den Mitgliederversammlungen des SVPS ist Bruno Invernizzi stets engagiert und konsensorientiert.  © SVPS Auch an den Mitgliederversammlungen des SVPS ist Bruno Invernizzi stets engagiert und konsensorientiert. © SVPS

Sie sind nun schon einige Jahre Präsident des ZKV. Was ist Ihre schönste Erinnerung aus dieser Zeit?

Da gibt es sehr viele emotionale Momente aus dem Sport, dem Vereinsleben und den Delegiertenversammlungen (DV). Wenn ich einen nennen muss, kommt mir als Erstes spontan die 150-Jahr-Feier des ZKV in den Sinn, die ich als Vizepräsident erleben durfte.

Als Präsident freut mich besonders die Dankbarkeit, die ich oft spüre, über unsere Arbeit. Das ist mein Benzin.

 

Gibt es auch unschöne Erinnerungen bzw. was fanden Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit am schwierigsten? Woran bissen oder beissen Sie sich die Zähne aus?

Zum Glück habe ich meine Zähne noch! Die Sache mit der Vereinszugehörigkeit war sicher in der letzten Zeit ein sehr dominantes, ja, vielleicht zu dominantes Thema, das uns auch noch einige Zeit begleiten wird. Einerseits ist das Ziel, einen möglichst hohen Organisationsgrad zu erreichen, und andererseits wollen wir keinem bestehenden Mitgliedsverein die Konkurrenz durch einen neuen Mitgliedsverein organisieren. Mit den Statutenanpassungen haben wir hier versucht, eine Lösung anzubieten. Jeder neue Verein, der Mitglied werden will, soll seinen Antrag an der Rayonsitzung vorbringen. Dort können dann allfällige Differenzen aufgedeckt werden. Mit den Resultaten dieser ersten Diskussion wird der Antrag an die DV gestellt. So hat der Vorstand an der DV auch die Möglichkeit, einen Antrag im Sinne der Mehrheit im Rayon aktiv zu unterstützen. Ziel bleibt immer, dass wir im Interesse unseres Partners Pferd handeln und individuelle Befindlichkeiten aussen vor lassen.

© PhotoBujard © PhotoBujard

Sie sind selbst aktiver Concoursreiter. Was fasziniert Sie am Pferdesport?

Leider habe ich meinen Sportpartner Lianos letzten Dezember verloren. Ich werde aber so schnell es geht und wenn es die Zeit erlaubt, wieder ein Pferd kaufen, um es auf Turnierplätzen vorstellen zu dürfen. Da ich das Privileg besitze, an einem Ort zu arbeiten, wo es Pferde hat, kommt das Reiten dennoch nicht zu kurz.

Mich fasziniert das «PFERD». In seinen Buchstaben umfasst es alles, was wichtig ist und was auch uns Menschen manchmal guttäte: Persönlichkeit/Führung/Erziehung/Respekt/Disziplin.

 

Wie denken Sie, wird sich der Pferdesport entwickeln? Wie wird Pferdesport in 10, 20 oder 50 Jahren aussehen?

Wir müssen dafür besorgt sein, dass wir unseren geliebten Pferdesport in all seinen Facetten in den nächsten Jahren auch weiterhin ausüben dürfen. Der Druck in der kleinen Schweiz auf uns Rösseler mit unseren Pferden wird zunehmen. Der Platz wird nicht grösser und das birgt die Gefahr von immer neuen Regelungen. Wir werden daher um Anpassungen und neue Entwicklungen nicht herumkommen. Wie genau die aussehen, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Sicher ist hingegen, dass wir alle im selben Boot sitzen und wir auch in Zukunft nur vorwärtskommen, wenn wir alle in dieselbe Richtung rudern.

Solange ich ZKV-Präsident bin und auch darüber hinaus, werde ich mich für das Pferd und den Pferdesport einsetzen und mithelfen, die gesamte Branche zu entwickeln, damit wir in 20 Jahren nicht nur noch Pferde auf der Weide und auf Bildern anschauen dürfen.

 

Was wünschen Sie sich für den Schweizer Pferdesport und was für den ZKV?

Der Pferdesport darf sich nicht nur in die elitäre Richtung entwickeln, denn die Basis macht das Fundament aus. Denken wir daran, dass die ganz grosse Mehrheit von uns diesen schönen Sport als Freizeitbeschäftigung betreibt. Das ist gut so und in der heutigen Zeit ein unbezahlbarer Ausgleich.

Wenn ich mir aber in der jetzigen Zeit etwas wünschen kann für die Zukunft, dann, dass wir alle gesund bleiben, denn ohne Gesundheit ist alles nichts wert!

Das Gespräch führte
Nicole Basieux

Der ZKV auf einen Blick

Anzahl Mitglieder: 154 Vereine
Gründung: 1865
Verbandsgebiet: Zentralschweiz, 7 Kantone
Leitbild: «Wir investieren in die Zukunft»
Web: www.zkv.ch

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