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Dossier: Interviews

«Ich möchte Menschen motivieren, ihre Träume zu realisieren»

05 November 2023 09:40

Damian Müller ist kein Präsident, der die Füsse stillhält. Er scheut ­keinen Aufwand und keine Auseinandersetzung, wenn es darum geht, den Dachverband zu positionieren, weiterzubringen und zu modernisieren. Im Interview mit Swiss Equestrian verrät er, was ihn antreibt und wie er die Zukunft des Pferdesports sieht.

Damian Müller verbringt seine Freizeit gerne bei den Pferden. | © Manuela Jans Damian Müller verbringt seine Freizeit gerne bei den Pferden. | © Manuela Jans

Damian Müller, du bist jetzt seit zwei Jahren ­Präsident des Pferdesport-Dachverbands. 
Werfen wir einen Blick zurück …

Als ich vor zwei Jahren das Präsidium übernahm, kannte ich den Verband und seine Strukturen aus meiner Zeit als Vize-Präsident schon gut. Aber als Präsident schaut man nochmals genauer hin. Ich musste fest­stellen, dass ein grundlegendes Umdenken, eine neue Positionierung nötig war, um die künftigen Aufgaben im Verband und im Pferdesport meistern zu können. Mir war klar, dass es robuste und gleichzeitig durchlässige Strukturen brauchte, um effizient und lösungsorientiert arbeiten zu können. Deshalb habe ich mit dem gesamten Vorstand den ganzen Strategieprozess angestossen.

Wenn ich etwas in Angriff genommen habe, blicke ich gerne nach vorn. Wir stehen nun mitten in der Um­setzung der Strategie. Gute Ideen allein genügen nicht: Auf Worte müssen Taten folgen. Denn an diesen werden wir als Verband und ich als Präsident am Ende gemessen.
Damit das gelingt, braucht es ein engagiertes Team, das gemeinsam an einem Strang zieht. Dazu gehört der Vorstand, die Geschäftsleitung und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Geschäftsstelle. Wir brauchen Menschen, die mit ihrer positiven Energie andere motivieren und mitnehmen, um die Projekte, die sich aus der Strategie ergeben, anzupacken. Es braucht aber auch Führungsinstrumente, die aufzeigen, welche konkreten Ziele man mit welchen Massnahmen erreicht, und anhand derer man die Fortschritte messen kann.

 

Geht das nicht alles viel zu schnell?

Die Welt um uns herum verändert sich schnell, der Pferdesport hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Da können wir als Dachverband nicht einfach dasitzen und abwarten, sonst ist der Zug abgefahren. Nun sind wir eben mit dem Schnellzug unterwegs, und da entsteht natürlich auch Gegenwind. Ich scheue kritische Auseinandersetzungen nicht und nehme jede Rückmeldung ernst. Dieser ganze Prozess ist nicht immer angenehm, und vor allem ist er mit sehr viel Arbeit verbunden. Aber wenn wir den Verband und den Pferdesport zukunftsfähig machen wollen, dann haben wir keine andere Wahl. Dass das auch vereinzelte personelle Veränderungen mit sich bringt, liegt in der Natur der Sache. Wir haben auf der Geschäftsstelle neue Stellen geschaffen und die Profile einiger bestehender Stellen geschärft. Auch dieser Prozess ist noch nicht abgeschlossen, aber ich spüre grosse Unterstützung. 

Wir sind auf einem guten Weg. Ich habe heute im Verband Menschen um mich, die sehr viel positive Energie aufwenden, um gemeinsam als Team den Pferdesport voranzubringen. Denn bei allem, was wir tun, geht es letztlich um den Pferdesport.

Richtet den Blick nach vorne:  Damian Müller an der Mitglieder­versammlung von Swiss Equestrian im Oktober 2023 | © Swiss Equestrian Richtet den Blick nach vorne: Damian Müller an der Mitglieder­versammlung von Swiss Equestrian im Oktober 2023 | © Swiss Equestrian

Nun hat der Dachverband einen neuen Namen und ein neues Logo. Ist das nicht einfach nur Marketing und Augen­wischerei?

Mit dem neuen Branding wird die Umsetzung der Strategie auch sichtbar. Wer sich mit Pferden befasst, hat ein Interesse daran, dass wir geeint auftreten. Wir müssen die Gemeinsamkeiten betonen und gemeinsam in dieselbe Richtung gehen. Natürlich hat jede Disziplin, jeder Pferdeberuf seine Eigenheiten. Was uns vereint, ist unsere Leidenschaft für das Pferd. Dafür stehen wir als Kompetenzzentrum ein, und das drückt auch unser Slogan «One Team. All Together.» aus. Wir leben in der Schweiz in einer einmaligen Vielfalt mit unserer Mehrsprachigkeit, unseren unterschiedlichen Mentalitäten. Das spiegelt sich auch in unserem Verband wider. Diese Eigenheiten sind gut und wichtig. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass wir uns verzetteln. Alle sollen Teil des grossen Ganzen sein, das als Einheit Sichtbarkeit erlangt. Diese Einheit und Sichtbarkeit zeigen sich im Namen «Swiss Equestrian» – genauso wie es beispielsweise der Dachverband des Schweizer Sports, Swiss Olympic, oder auch zahlreiche andere Schweizer Sport-Dachverbände von Swiss Tennis bis Swiss Ice Hockey machen. Selbstverständlich darf das Schweizerkreuz nicht fehlen, denn dahinter stehen Werte, die wir vertreten und nach aussen tragen. Ausserdem ist der Pferdekopf mit seinem Pinselstrich dynamisch, modern und sportlich. Auch diese Attribute treffen für unseren Verband zu. Das Pferd im Logo spitzt seine Ohren nach rechts und damit in die Zukunft. Swiss Equestrian hört hin, wenn jemand aus der Pferdegemeinschaft ein Anliegen hat, und wir sichern die Zukunft des Pferdesports, egal ob im Breitensport oder im Spitzensport. Wir wollen auch neue Pferdebegeisterte ansprechen. Wir wollen Kinder begeistern, damit sie den Weg zum Pferd finden. Der Kontakt zum Pferd ist etwas Einmaliges. Gerade in unserer individualisierten Welt lehrt der Partner Pferd schon Kinder Sozialkompetenz und Verantwortungsbewusstsein. 

 

Welche Rolle spielen denn die Regionalverbände in diesem Kompetenzzentrum? Haben sie bald ausgedient?

Ganz im Gegenteil! Die Regionalverbände spielen eine ganz zentrale Scharnierrolle zwischen dem Dachverband und den Reitvereinen. Sie stellen sicher, dass die Anliegen der Vereine beim Dachverband Gehör finden und arbeiten eng mit den Menschen vor Ort. Bei dieser Arbeit respektieren sie die Leitplanken, die der Dachverband vorgibt. So können wir Hand in Hand arbeiten und sicherstellen, dass das Wohl von Tier und Mensch jederzeit gewährleistet ist.
Es ist klar, auch die Regionalverbände sehen sich mit veränderten Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft konfrontiert. Sie müssen sich fragen: «Wie sieht das Vereinsleben von übermorgen aus?» Wir beim Dachverband haben mit dem Strategieprozess unsere Hausaufgaben gemacht. Ich bin überzeugt, jeder Verband und jeder Verein ist gut beraten, eine solche ­Analyse vorzunehmen und die eigene Strategie entsprechend auszurichten. Ich bin tief beeindruckt, mit wie viel Engagement die Regionalverbände agieren. Ich sehe es auch als eine Aufgabe des Dachverbands, die Regionalverbände und die Reitvereine zu begleiten. Wir wollen ihnen die Instrumente an die Hand geben, um effizient und gezielt zu arbeiten. Ich denke hier beispielsweise an den Lehrgang «Club Management», den wir in Zusammenarbeit mit Swiss Olympic anbieten.
Auch bei Swiss Equestrian Talents arbeiten wir eng mit den Regionalverbänden zusammen. Sie spielen eine zentrale Rolle bei der Nachwuchsförderung. Wir als Dachverband sind darauf angewiesen, dass die Regionalverbände die jungen Talente in ihrem Einzugsgebiet entdecken und gezielt fördern, damit sie schliesslich in unser Förderprogramm aufgenommen werden k­önnen.

 

Dann ist der Strategieprozess für den Dachverband bisher ein Erfolg?

Ja, die Strategie ist gut und gibt solide Leitplanken vor. Jetzt kommt aber die zielgerichtete Umsetzung, und hier müssen wir beweisen, dass die Theorie mehr wert ist als das Papier, auf dem sie geschrieben steht. Daran werden wir gemessen.

Die Geschäftsleitung muss nun die Gesamtziele des Dachverbands in Unterziele herunterbrechen und konkrete Massnahmen zur Zielerreichung in den Bereichen Spitzensport, Breitensport, Ethik und Dienstleistungen definieren. Die Aufgaben und Projekte müssen prio­risiert werden, um die Ziele der Strategie gezielt zu er­reichen. So überprüfen wir vonseiten des Vorstands, ob die Geschäftsleitung unsere strategischen Leitplanken umsetzt.

 

Jeder spricht heutzutage von Ethik. Steckt da mehr dahinter als schöne Worthülsen?

Ja, die Ethik ist eine wichtige Säule von Swiss Equestrian. Dazu gehört beispielsweise die Ausbildung der Pferdesporttreibenden und der Offiziellen. Wir haben schon eine solide und breit abgestützte Grundausbildung, die wir in Zukunft weiterentwickeln und aus­bauen werden. Auch die Ausbildung von Pferdeberufsleuten soll künftig Berührungspunkte mit uns haben, damit wir alle dieselben Ziele verfolgen. Ethik, das ist auch der respektvolle Umgang mit unserem Partner Pferd, den wir vom ersten Kontakt mit dem Pferd an der Basis bis in den Spitzensport pflegen müssen. Deshalb wird die Ethik beispielsweise auch ein wichtiger Baustein unseres innovativen Nachwuchsförderungsprogramms Swiss Equestrian Talents sein. Wir wollen nicht nur erfolgreiche Athleten in unserem Sport, sondern verantwortungsvolle Pferdemenschen, die als Botschafter für das Pferd und den Pferdesport auftreten.

Wir haben in der Schweiz eines der strengsten Tierschutzgesetze überhaupt. Wer sich nicht daran hält, überschreitet eine rote Linie, und dann gilt die Nulltoleranz. Wer diese Sensibilität nicht hat, der hat zu wenig Respekt vor dem Lebewesen. Pferde geben uns so viel, begegnen uns mit enormer Leistungsbereitschaft und einem schier grenzenlosen Willen, zu gefallen. Das sollten wir mit Demut und Verantwortungsbewusstsein annehmen.

Seit zwei Jahren ist Damian Müller nun Präsident ­des ­Dachverbands des Schweizer Pferdesports und hat in dieser Zeit viel bewegt. | © Johanna Unternährer Seit zwei Jahren ist Damian Müller nun Präsident ­des ­Dachverbands des Schweizer Pferdesports und hat in dieser Zeit viel bewegt. | © Johanna Unternährer

Das klingt ja alles schön und gut. Aber wer ­kontrolliert das denn?

Eine besonders wichtige Rolle kommt unseren Offiziellen zu, die auf den Turnierplätzen dafür sorgen, dass die Reglemente eingehalten werden. Ich erinnere da­ran, dass die Reglemente von den Regionalverbänden und den Fachgremien erarbeitet werden und somit auch sie in der Verantwortung stehen. Die Reglemente werden im Herbst jeweils für das Folgejahr publiziert, sodass alle genügend Zeit haben, sich damit auseinanderzusetzen – Pferdesporttreibende genauso wie Offizielle. Wir wollen aktive Akteure in unseren Gremien und offene, kompetente Offizielle. Auch in die Weiterbildung der Offiziellen werden wir künftig vermehrt und gezielt investieren. Als Offizieller muss man hinstehen können und wo nötig für Ordnung sorgen. Das gehört zum Job. Das ist nicht immer angenehm, das ist mir klar. Aber wir brauchen diese couragierten Offi­ziellen, denn sie erfüllen eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe. Ihnen wollen wir den Rücken stärken. Denn in einem zukunftsfähigen Pferdesport sind Athleten, die sich nicht an die Regeln halten, inakzeptabel. Das gilt übrigens auch für die Organisatoren. Und letztlich stehen wir alle in der Verantwortung, unser Umfeld für diese ethischen Fragen zu sensibilisieren.

 

Was können die Organisatoren denn noch besser machen?

Die überwiegende Mehrheit der Organisatoren leistet hervorragende Arbeit, vor der ich grössten Respekt habe. Schwarze Schafe, die sich nicht an die Regeln halten, gibt es leider immer wieder. Aber da müssen wir genau hinschauen. 

In Zukunft müssen Organisatoren viel mehr kommunizieren und Marketing betreiben, damit Menschen ausserhalb unserer Szene mit uns und den Pferden in Berührung kommen. Somit müssen die Organisatoren noch kreativer werden und vielleicht sogar disziplinenübergreifend denken, um eine bestehende Infrastruktur effizient zu nutzen und Sportbegeisterte verschiedener Disziplinen auf den gleichen Platz zu holen. Ein Turnier soll nicht nur ein sportlicher Wettkampf, sondern ein Fest für die gesamte Region sein. Auch hier müssen wir alle zusammen an einem Strang ziehen und Brücken bauen, statt Grabenkämpfe auszufechten. Die Ausschreibungen müssen flexibler genutzt und innovativer gestaltet werden. Wir bieten so viel Spielraum, der nur selten ausgeschöpft wird.

 

Und welchen Spielraum möchtest du für den ­Verband als Nächstes ausschöpfen?

Es gibt noch viele Projekte, die ich gerne realisieren möchte. Mein Hauptanliegen ist aber, den Dachverband robuster zu machen. Mir ist wichtig, dass wir die Veränderung gestalten – und dass nicht wir von der Veränderung getrieben werden. 

Es ist mir ein Herzensanliegen, mehr Menschen für Pferde zu begeistern, aber auch ethisch guten Pferdesport zu betreiben. Der Pferdesport ist eine ganz andere Welt als jene, in der ich mich sonst bewege. Ich bin ein Teamplayer und möchte meine Ideen und meine Erfahrung einbringen, um etwas Positives zu bewirken. Swiss Equestrian ist heute ein mittelgrosses Unternehmen. Hier kann ich zusammen mit dem ganzen Vorstand gezielt etwas bewegen und Mitarbeitende begeistern und befähigen. Es gibt keinen Tag, an dem ich nichts lerne. Und das möchte ich dann weitergeben. 

 

Böse Zungen behaupten, du bist nur deshalb ­Präsident von Swiss Equestrian, weil du Bundesrat werden willst …

Meine politische Arbeit und meine Begeisterung für Pferde sind zwei völlig verschiedene Dinge. Wenn es mir nur um meine Karriere ginge, hätte ich mir wahrscheinlich einen anderen Sport als den Pferdesport ausgesucht. Denn in keinem anderen Sport steht man derart schnell in der Kritik. Der Partner Pferd macht unseren Sport einzigartig, aber auch besonderes angreifbar.

Was mich antreibt, ist der Wunsch, unseren Verband zu professionalisieren, weiterzuentwickeln und somit mehr Menschen für das Pferd zu begeistern. Ich will immer wissen, was wirklich los ist, und scheue auch Herausforderungen nicht. Was mich aber ärgert, sind Menschen, die negative Energie verbreiten und andere ausbremsen wollen. Wer sich engagiert, geht Risiken ein, das ist mir klar. Aber man muss seine Komfortzone verlassen, wenn man neue Ziele erreichen will. Wer das kritisiert, hat selbst nie ein innovatives Projekt lanciert. 

Ich will mir sicher kein Denkmal setzen, sondern Menschen motivieren, ihre Träume zu realisieren. Damit meine ich Athleten, Pferdebesitzer, Grooms und Kinder – gemäss unserem Motto «One Team. All Together.». Bei Swiss Equestrian bekommen alle eine Chance, die sich für unseren Partner Pferd und den Verband einsetzen wollen. Deshalb erstellen wir Profile und Anforderungskataloge, damit die gegenseitigen Erwartungen klar sind. Wir wollen miteinander statt übereinander reden, das ist sinnstiftender. So setzen wir solide Grundlagen für die Zukunft.

Natürlich ist nicht alles perfekt, aber wir sind motiviert und bereit anzupacken. Jetzt setzen wir unsere Visionen um, und ich bin sicher, dass wir die eine oder andere skeptische Stimme noch von unserer Arbeit überzeugen können.

Das Gespräch führte
Cornelia Heimgartner

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