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Ist das Pferd als Nutztier in der Schweiz bald verschwunden?

14 Juli 2020 08:00

Das Pferd galt immer als Nutztier, doch seit 2012 zeichnet sich eine drastische Wende ab: Heute sind knapp 50% der in der Schweiz registrierten Equiden als Heimtiere eingetragen. In einer Semesterarbeit der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen wurde nun untersucht, welche Argumente für den einen oder anderen Status angeführt werden und welche Faktoren die Entwicklung zurück zur Eintragung als Nutztier beeinflussen.

Der Status des Pferdes hat keinen Einfluss auf seine Nutzung.  ©HAFL Der Status des Pferdes hat keinen Einfluss auf seine Nutzung. ©HAFL

Die Situation in der Schweiz

Anfang 2020 belief sich der Equidenbestand der Schweiz auf 125 168 Tiere. Equiden können entweder als Nutztier oder als Heimtier eingetragen werden. Diese beiden Status sind in der Tierarzneimittelverordnung (TAMV) definiert. Bei Geburt gelten Pferde grundsätzlich als Nutztiere. Die Eigentümerin bzw. der Eigentümer hat anschliessend die Möglichkeit, den Equiden zum Heimtier umzuschreiben. Diese Eintragung ist dann unabänderlich. Der Nutztier- oder der Heimtierstatus hat keinerlei Einfluss auf die Nutzung des lebenden Pferdes, ist jedoch von zentraler Bedeutung bei der Frage, was beim Tod des Pferdes möglich ist. Anders als Heimtiere dürfen Nutztiere zur Lebensmittelgewinnung verwendet werden (TAMV Art. 3 Abs. 1 Bst. a und b). Bei Nutztieren steht eine eingeschränkte Auswahl an Arzneimitteln zur Verfügung, und alle Medikamentengaben müssen in einem Behandlungsjournal festgehalten werden.

In der Schweiz werden jährlich 360 Gramm Pferdefleisch pro Einwohner verzehrt, was einer Gesamtmenge von 3059 Tonnen entspricht. Nur 10% dieses Pferdefleisches stammt aus der Schweiz. Die übrigen 90% werden aus Drittländern wie Kanada, Argentinien oder Australien importiert. Aus den Medien weiss man, dass die Haltungs- und Transportbedingungen in manchen dieser Länder nicht mit jenen in der Schweiz vergleichbar sind. Aus einem Pferd mit 500 kg Lebendgewicht können 300 kg Fleisch gewonnen werden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, die Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten wie auch der Pferdeeigentümerinnen und -eigentümer abzuwägen.

Verlauf 2013 bis 2019: Nutztiere und Heimtiere  ©HAFL Verlauf 2013 bis 2019: Nutztiere und Heimtiere ©HAFL

Die Umfrage

Ziel der Arbeit war es, die Faktoren zu eruieren, die den Entscheid für den einen oder den anderen Status des Pferdes beeinflussen, und in verschiedenen Eigentümergruppen den Wissensstand bezüglich dieser beiden Status zu prüfen. Zu diesem Zweck wurde mithilfe des Programms Unipark ein zweisprachiger quantitativer Fragebogen erstellt. Dieser wurde elektronisch gestreut und richtete sich an alle Pferdeeigentümerinnen und -eigentümer in der Schweiz, beispielsweise Besitzer, Züchter oder Aufzüchter. Diese verschiedenen Arten von Eigentümerinnen und Eigentümern wurden für die Auswertung der Antworten getrennt. Die Züchter sind potenziell auf dem Schweizer Pferdemarkt aktiv und müssen die geltende Schweizer Gesetzgebung daher kennen. Ausserdem ist ihre Meinung besonders wichtig für die Zukunft des Nutztieres, da dieses für das Einkommen der Züchterinnen und Züchter essenziell sein kann. Der Rücklauf belief sich auf 464 Antworten, davon 68,32% aus der Westschweiz.

 

Die Einflussfaktoren des Pferdestatus

Die Eigentümerinnen und Eigentümer in der West- und der Deutschschweiz vertreten mehrheitlich eine ablehnende Haltung gegenüber der Einfuhr von ausländischem Pferdefleisch (68%). Interessanterweise ist diese Meinung unabhängig davon, ob das Fleisch des eigenen Pferdes vermarktet wird oder nicht. Die Mehrheit der Befragten, die sich gegen den Import von ausländischem Fleisch ausgesprochen haben, würden kein Einverständnis geben, eines Tages das Fleisch ihres Pferdes zu verwerten, um den Mangel an inländischem Fleisch auszugleichen (64%). Es hat sich jedoch gezeigt, dass einige Eigentümerinnen und Eigentümer, die sich nicht gegen den Import von Pferdefleisch ausgesprochen haben, einverstanden sind, den Mangel an inländischem Fleisch durch die Vermarktung des Fleisches ihres Pferdes auszugleichen (28%).

Bei der Wahl des Status spielen verschiedene Einflussfaktoren mit: die Eigentümerkategorie, das Geschlecht, die Sprache, die Pferderasse oder ob man selbst Pferdefleisch isst. Nutztiere werden mehrheitlich von Züchtern (85%), Männern (69%) oder Deutschschweizern (60,3%) gehalten. Überraschend ist hingegen, dass nur 55,7% der Pferdefleischkonsumentinnen und -konsumenten ihre Pferde als Nutztiere eingetragen haben. 55% der Eigentümerinnen und Eigentümer von Freibergern haben ihre Pferde als Nutztiere registriert. Erstaunlicherweise besitzen die meisten Westschweizer Pferdefleischkonsumentinnen und -konsumenten Heimtiere, während die Deutschschweizer Pferdefleischkonsumentinnen und -konsumenten zu gleichen Teilen Nutz- und Heimtiere besitzen.

Im Weiteren wurden den Umfrageteilnehmenden Fragen gestellt, um den Wissensstand bezüglich der Status zu eruieren. Für richtige Antworten gab es Punkte, wobei 10 Punkte das Maximum darstellte. 71% der Befragten erhielten zwischen 8 und 10 Punkten, was auf einen guten Wissensstand hinweist. Hier ergaben sich keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Teilnehmergruppen.

Die Umfrage weist darauf hin, dass die Equideneigentümerinnen und -eigentümer das Pferd nicht mehr als Nutztier erachten und sie nicht mehr bereit sind, das Fleisch ihres vierbeinigen Kameraden zu verwerten. Diejenigen, die sich gegen den Import von Pferdefleisch aus dem Ausland ausgesprochen haben, sind nicht bereit, dem Trend mittels Verwertung des Fleisches ihres eigenen Pferdes entgegenzuwirken. Darin zeigt sich eine Inkohärenz ihrer Wahrnehmung.

 

Fazit

Das Pferd als Nutztier läuft Gefahr, in der Schweiz zu verschwinden. Dies hätte zahlreiche Konsequenzen. Die anhaltend rückläufigen Schlachtungszahlen bei den Pferden kann zu einer Schliessung von Pferdemetzgereien führen. Hält dieser Abwärtstrend an, wird die Versorgung mit Pferdefleisch langfristig vollständig aus dem Ausland erfolgen. Ohne die Möglichkeit der Schlachtung stünden die Züchter zudem in einer Sackgasse: Sie könnten mit ihrem Fohlen kein Geld mehr verdienen, und es würde ihnen verunmöglicht, ihre besten Zuchtprodukte zu selektionieren.

Die Zahlen auf der einen Seite und die Wahrnehmung der Gesellschaft auf der anderen Seite zeigen, dass bei den Pferden das Nutztier nach und nach durch das Heimtier ersetzt wird. Einige Eigentümerinnen und Eigentümer sind jedoch nach wie vor von den Vorteilen des Nutztierstatus überzeugt und möchten diesen für ihre künftigen Pferde beibehalten. Es gilt zu beachten, dass die Eigentümerinnen und Eigentümer die Gesamtsituation beurteilen und ihr Tier als solches betrachten und nicht vermenschlichen sollten.

Inès Lamon
Svetlana Erb
Conny Herholz

Auf einen Blick:

– Mit dem Wandel des Stellenwerts des Pferdes in der Gesellschaft geht eine Änderung seines Status einher.
– Die rückläufige Schlachtungszahl in der Schweiz muss durch den Import von Pferdefleisch (90%) ausgeglichen werden.
– Die Herangehensweise an die Problematik muss ganzheitlich bleiben, und die Eigentümerinnen und Eigentümer von Pferden müssen weiterhin sensibilisiert werden.

Das Pferd gilt bei Geburt als Nutztier.  ©HAFL Das Pferd gilt bei Geburt als Nutztier. ©HAFL

Wer ein Nutztier besitzt, kann dessen Fleisch nach dem Tod verwerten.
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<br />Le fait d’avoir un animal de rente permet de valoriser la viande lors de sa mort. Wer ein Nutztier besitzt, kann dessen Fleisch nach dem Tod verwerten. ©HAFL

Die Autorin der Erhebung:

Svetlana Erb schloss 2019 ihr Bachelorstudium in Agronomie mit Vertiefung in Pferdewissenschaften an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL in Zollikofen (BE) ab. Heute arbeitet die Agronomin als Koordinatorin des Stud-Book beim Schweizerischen Freibergerverband in Avenches (VD). Ihre Liebe galt schon immer dem Freiberger Pferd.

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