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Dossier: Ausbildung

Ponysport als Sprungbrett

12 November 2018 13:23

Landläufig machen viele Kinder ihre ersten Reiterfahrungen auf Ponys. Entwickeln sie sportliche Ambitionen, wird aber oft geraten, auf Grosspferde umzusatteln. Doch der Ponysport kann durchaus als Sprungbrett dienen. Der Weg von Andri und Gian von Ballmoos zeigt dies eindrücklich.

«Bulletin» trifft die Familie von Ballmoos an einem sonnigen Sonntag auf der Anlage von Paul Freimüller in Humlikon. Dort sind ihre zwei Springpferde Angel und Contessa sowie das Pony Orlando eingestallt. Vater Yves, der dreizehnjährige Andri und der zehnjährige Gian sind in voller Reitmontur dabei, die Pferde fürs Training vorzubereiten. Mutter Mariann hilft dem Jüngsten bei den Vorbereitungen. Sie hat ihre Sporttasche mit den Laufsachen dabei. Während ihr Mann mit den Söhnen auf dem Sandplatz mit den Pferden dressurmässig arbeitet, wird die begeisterte Halbmarathonläuferin durch die Natur rennen. Ein ganz normaler «freier» Tag bei Familie von Ballmoos.

Rösseler-Familie von Vorteil

Yves von Ballmoos ist mit Pferden aufgewachsen. Sein Vater züchtete Vollblüter und hielt Renn- und Springpferde. Yves und seine beiden Brüder ritten von klein auf. In den 1990-Jahren war er Mitglied des Schweizer Junioren- und des Jungen-Reiter-Kaders der Springreiter und nahm an nationalen und internationalen Turnieren teil. Er ritt aber auch zehn Jahre lang erfolgreich Pferderennen, wechselte danach wieder in den Springsattel, blieb aber dem Rennsport als Skijöringfahrer erhalten.

Seine Frau Mariann dagegen ist keine Reiterin. Sie hat zwar durch Yves Reiten gelernt, steigt aber nur selten in den Sattel.

Die Pferde waren, seit ich denken kann, immer present.

Sie erzählt: «Uns ist in erster Linie wichtig, dass die Kinder überhaupt sportlich aktiv sind. Sie sind mit den Pferden aufgewachsen, fahren aber auch Ski, machen mit uns Bergtouren und spielen Fussball.» Yves von Ballmoos ergänzt: «Ich gebe aber zu, dass ich gehofft habe, dass sie sich fürs Reiten begeistern. Darum habe ich mir, als Andri zweijährig war, neben meinem damaligen Rennpferd auch wieder ein Springpferd gekauft. Denn ich glaube, wenn ein Elternteil eine Sportart wettkampfmässig ausübt, spornt das Kinder mehr an, als wenn sie das Ganze nur aus der Ferne sehen.»

Ponyrennreiter Gian (in Grau und Orange) mit Woutera im Endkampf zum ersten Sieg der noch jungen Karriere. Ponyrennreiter Gian (in Grau und Orange) mit Woutera im Endkampf zum ersten Sieg der noch jungen Karriere. (Bild: turffotos.ch)

Einstieg via Ponytrophy

Der ältere Sohn Andri bestätigt das: «Die Pferde waren, seit ich denken kann, immer präsent. Ich kenne ein Leben ohne gar nicht. Obwohl ich viele Sportarten mag, fasziniert mich das Springreiten am meisten.» Andri bekam von seinem Vater und vom Grossvater eine klassische Reitausbildung. Darauf legen die Eltern Wert. Yves erläutert: «Schon meinem Vater war wichtig, dass wir Jungs eine fundierte Reitausbildung bekamen.

Obwohl ich viele Sportarten mag, fasziniert mich das Springreiten am meisten.

Sie ist das A und O, egal in welcher Disziplin man schlussendlich reitet.» Andri erarbeitete sich also die Grundlagen und bekam mit sechs Jahren sein Springpony Orlando. Mit ihm stieg er in den Sport ein und ritt die damalige Ponytrophy des Verbands Schweizer Concoursreiter (VSCR) mit. Yves von Ballmoos sagt über diese Zeit: «Diese Trophy war toll. Sie ermöglichte den Einstieg auf moderatem Niveau, das sich langsam steigerte. Zudem war es ein Messen unter Gleichaltrigen. Das ist für Kinder sehr viel motivierender, als wenn sie in B80-Prüfungen gegen Erwachsene antreten müssen.» Die gesamtschweizerische Ponytrophy gibt es leider nicht mehr. In der Ostschweiz ist aber der OKV Pony Cup ideal, um in den Springsport einzusteigen. Und in der Westschweiz veranstaltet Poney Sport Romand Serienturniere in verschiedenen Disziplinen.

Schnelle Karriere

Die Fortschritte, die Andri von Ballmoos dank dem Ponysport machte, waren frappant. Vor zwei Jahren kaufte die Familie dementsprechend die Stute Contessa, und Andri überliess Pony Orlando seinem Bruder. Heute trainieren ihn nicht mehr nur der Vater und der Grossvater. Er nimmt Dressurstunden bei Dominique Sprunger und Springstunden bei Paul Freimüller. Vor einem Jahr erlangte er die Lizenz und begann, an den Sichtungsprüfungen des OKV teilzunehmen. So konnte Andri von der Newcomer-Förderung profitieren und später an den Nationalkadertrainings der Kategorie Children teilnehmen. Inzwischen hat er bereits die ersten Nationenpreisteilnahmen hinter sich und durfte mit dem Team in Chevenez den zweiten Platz feiern. Doch der Sport ist nicht alles.

Mariann und Yves von Ballmoos unterstützen die Reitkarrieren ihrer Söhne wo immer es geht. 
<br />Die Schule darf aber nicht darunter leiden, denn sie setzen auch auf eine gute Ausbildung neben dem Reitsport. Mariann und Yves von Ballmoos unterstützen die Reitkarrieren ihrer Söhne wo immer es geht. Die Schule darf aber nicht darunter leiden, denn sie setzen auch auf eine gute Ausbildung neben dem Reitsport. (Bild: Barbara Würmli)

Ausbildung geht vor

Der junge Springreiter wirkt sehr abgeklärt: «Meine Familie legt Wert auf eine gute Ausbildung. Würden meine schulischen Leistungen leiden, müsste ich beim Sport zurückstecken.» Für Andri ist das aber kein Problem. Er möchte Medizin studieren. Dass er dafür etwas tun müsse, sei für ihn klar, sagt er entschlossen. Im Moment bringe er aber Schule und Sport gut unter einen Hut. Das Pensum, das der Dreizehnjährige absolviert, ist nicht ohne. Er reitet neben der Schule fünf- bis sechsmal pro Woche, dazu kommen Kadertrainings und Turnierteilnahmen. Sein Vater relativiert: «Das ist ein grosses Pensum, es gibt aber auch ein bisschen Spielraum. Denn auch ich und mein Vater reiten regelmässig unsere Springpferde, so dass Andri nicht zwingend jeden Tag aufs Pferd muss.»

Keiner zu klein, Rennreiter zu sein

Das inzwischen pensionierte Springpony Orlando wird zwei- bis dreimal pro Woche von Andris jüngerem Bruder Gian geritten. Aber nur um die reiterliche Grundausbildung zu erlangen. Gians Leidenschaft gehört den Vollblütern. Der Zehnjährige erinnert sich:

Seit ich als ganz Kleiner die Pferderennen zum ersten Mal bewusst erlebt habe, möchte ich Rennreiter werden. 

Mutter Mariann lachend: «Damals hat er jeweils Yves alte Rennutensilien hervorgekramt, angezogen und auf seinem Holzpferdchen Jockey gespielt. Immer und immer wieder.»

Der dreizehnjährige Andri hochkonzentriert bei der Pacoursbesichtigung.
 Der dreizehnjährige Andri hochkonzentriert bei der Pacoursbesichtigung. (Bild: zvg)

Glücksfall Ponyrennclub Schweiz

Natürlich wollte Gian auch so früh wie möglich an Ponyrennen teilnehmen. Doch seine Eltern stellten klar, dass er zuerst das Reiterbrevet erlangen müsse. Nun ist das Brevetniveau erreicht, die Prüfung legt Gian aber erst in diesem Winter ab. Trotzdem darf er seit dem Sommer Ponyrennen reiten. Dies verdankt er dem Ponyrennclub Schweiz. Seit zwei Jahren gibt es den Verein, dessen Ziel die Förderung des Nachwuchses im Galopp- und Trabrennsport ist. Der Club setzt alles daran, Interessierten den Einstieg in den Rennsport zu ermöglichen. So werden Kinder ohne eigene Ponys mit Besitzern zusammengeführt, die keine geeigneten Reiter für ihre Ponys haben. Yves von Ballmoos berichtet: «Jessica Kessler - Vorstandsmitglied des Ponyrennclubs - wusste, dass unser Jüngster gerne Rennen reiten möchte. Sie stellte den Kontakt zur Besitzerin eines Ponys der kleinsten Kategorie A her, die einen geeigneten Reiter suchte.» So fuhr Gian mit seinem Vater an ein Probetraining ins aargauische Reinach, wo sie Pony Woutera kennenlernten. Und es passte sofort.

Der jubelnde Gian nach seinem ersten Sieg in Avenches. Bruder Andri freut sich an seiner Seite mit. Der jubelnde Gian nach seinem ersten Sieg in Avenches. Bruder Andri freut sich an seiner Seite mit. (Bild: turffotos.ch)

Mehr Tempo als erwartet

Kurze Zeit später ritt Gian in Avenches sein erstes Rennen. Er sprudelt förmlich beim Erzählen:

Vor dem ersten Start war ich ziemlich nervös und wurde dann auch vom Tempo überrascht.

«Im Training auf der Sandbahn waren wir viel langsamer unterwegs als im Rennen auf der Grasbahn. Dass Woutera und ich trotzdem Zweite wurden, war super.» Inzwischen hat sich der Viertklässler auch schon den ersten Sieg erkämpft. Und er ist mehr denn je vom Rennvirus befallen. «Kein Wunder», meint seine Mutter. «Die Leute vom Ponyrennclub leisten hervorragende Arbeit und bieten den Kindern viel. Die Rennen finden im Rahmen der normalen Renntage statt. Die Kinder reiten also vor grossem Publikum, haben beste Bedingungen und können so echte Rennluft schnuppern, was enorm motivierend ist.»

Andri mit Contessa (ganz rechts) an der Siegerehrung vom Children-Nationenpreis in Chevenez, wo die Schweiz den zweiten Platz erkämpfte.
 Andri mit Contessa (ganz rechts) an der Siegerehrung vom Children-Nationenpreis in Chevenez, wo die Schweiz den zweiten Platz erkämpfte. (Bild: zvg)

Zukunftspläne

So setzt sich Gian bereits Ziele: «Das Wichtigste ist, dass ich die nächsten Jahre ohne Unterbruch Ponyrennen reiten kann. Sobald ich kräftig genug bin, möchte ich aber auch richtige Rennpferde bei Philipp Schärer im Training reiten.» Bei Trainer Schärer in Elgg werden die Rennpferde von Grossvater von Ballmoos trainiert. So ist denn auch der dortige Stalljockey Raphael Lingg das grosse Vorbild von Gian: «Wie Raphi möchte ich später Flach- und Hindernisrennen reiten. Am liebsten natürlich ganz grosse Rennen in England und Frankreich.»

Andris grosses Ziel für nächstes Jahr ist die Teilnahme an der Children-Europameisterschaft in den Niederlanden. 2020 soll dann der Aufstieg in das Juniorenkader gelingen. Ein realistisches Vorhaben, auf das er fokussiert hinarbeitet. Um ihn zu unterstützen, wird Vater Yves in nächster Zeit mit seiner Stute Angel keine Turniere mehr bestreiten und in die zweite Reihe zurücktreten. Er erläutert: «Um weiterzukommen, braucht Andri zwei Pferde. Deshalb stehen ihm zukünftig Contessa und Angel zur Verfügung.» Der Sohn nimmt das Angebot natürlich gerne an.

Zwar stehen Andri und Gian von Ballmoos noch am Anfang ihrer Laufbahn. Ihre bisherigen Wege zeigen aber deutlich, dass der Ponysport Talente fördern und Karrieren lancieren kann.

Barbara Würmli

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