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Sportforum 2021: Infrastruktur, Organisation und Attraktivität

01 Februar 2022 09:00

Anfang März letzten Jahres fand das Sportforum 2021 statt. Namhafte Persönlichkeiten der Pferdeszene tauschten ihre Standpunkte und Erfahrungen rund um die «Zukunft der Pferdesportveranstaltungen» aus. Auch das online zugeschaltete Publikum hatte die Möglichkeit, aktiv an der Diskussion teilzunehmen. Im dritten Teil der Serie nehmen nun die diversen Leitungsteams zu letzten aufgeworfenen Fragen Stellung.

Ein guter Allwetter-Sandplatz ist zwar teuer im Bau, dafür aber zu jeder Jahreszeit für Training und Concours nutzbar.  |  © imago Ein guter Allwetter-Sandplatz ist zwar teuer im Bau, dafür aber zu jeder Jahreszeit für Training und Concours nutzbar. | © imago

An drei verschiedenen Podiumsgesprächen wurden Aspekte wie die äusseren Einflüsse auf den Pferdesport, die unterschiedlichen Turnierformate und die Schwierigkeiten des Organisierens beleuchtet. Während der Gespräche gingen insbesondere viele schriftliche Kommentare, Fragen und Bemerkungen ein. Diese Inputs wurden analysiert und in den Leitungsteams der Disziplinen besprochen. In diesem dritten Antwortteil im «Bulletin» haben nun die verschiedenen betroffenen Leitungsteams zu letzten offenen Publikumsfragen und Kommentaren Antworten und Reaktionen abgegeben.

Thema: Infrastruktur

Publikum: Unser Verein plant eine neue Infrastruktur. Was soll priorisiert werden: eine Halle, ein Sandviereck oder ein Grasplatz?

Antwort des Leitungsteams Springen:

Es gehört nicht zu den Aufgaben des SVPS, Vereine bei deren Infrastrukturplanung zu beraten. Beim Erstellen einer neuen Infrastruktur kommt es ganz darauf an, was der Verein bezwecken will. Wenn er Turniere veranstalten möchte, ist wahrscheinlich ein Sandplatz am ehesten geeignet, allerdings müsste man sich in diesem Fall auch die weiterführende organisatorische Frage stellen, wie zum Beispiel, wo abgeritten werden kann; ein Grasplatz ist meistens weniger wetterunabhängig, jedoch grundsätzlich pferdefreundlicher. Oder will der Verein eine Trainingsinfrastruktur, die täglich genutzt werden kann, dann drängt sich eine Halle auf.

Studien belegen, dass Grasböden für die Pferdebeine gesünder sind als Sandböden. 
Aber ihre Pflege ist aufwendig, und die Nutzungsmöglichkeiten sind wetterabhängig.  |  © imago Studien belegen, dass Grasböden für die Pferdebeine gesünder sind als Sandböden. 
Aber ihre Pflege ist aufwendig, und die Nutzungsmöglichkeiten sind wetterabhängig. | © imago

Publikum: Die Bodenqualität stellt ein entscheidendes Kriterium für die Turnierteilnehmenden dar. Nichtsdestotrotz ist es eine Tatsache, dass viele Reiterinnen und Reiter Grasplätze eher meiden. Wie sehen Sie die Zukunft von Grasboden - auch bei schlechteren Wetterbedingungen?

Antwort des Leitungsteams Springen:

Alle Reiterinnen und Reiter, egal ob Amateur oder Profi, wünschen sich heute eine Top-Infrastruktur und gute Bodenverhältnisse. Da sind die Pferdesporttreibenden generell anspruchsvoller geworden, nicht zuletzt zum Wohle ihrer Pferde. Zudem sind es viele Reiterinnen und Reiter wie auch Pferde nicht mehr gewohnt, auf Gras zu springen, da die meisten Trainings ebenfalls auf Sandböden durchgeführt werden. Eine Herangehensweise wäre, dass die Veranstalter von Grasplatz-Turnieren bei schlechter Witterung die Prüfungen absagen. Die Nenngelder (exkl. der Gebühren) müssen gemäss Reglement bei einer Absage der Prüfungen zurückbezahlt werden. Auch wenn in einem solchen Fall dem Veranstalter und den Reiterinnen und Reitern ein kleiner Verlust entsteht, kann sich der Verein einen Goodwill gegenüber den Konkurrentinnen und Konkurrenten schaffen, sodass der Veranstalter hoffentlich auch im nächsten Jahr wieder auf die Reiterinnen und Reiter zählen kann.

Experten sind sich einig, dass ein guter Grasplatz für die Gesundheit des Pferdes dem Sandplatz vorgezogen werden kann, oder ihm zumindest in nichts nachsteht. Ein Grasplatz muss jedoch ganzjährig gepflegt werden, um diese Bedingung zu erfüllen. Turniergrasplätze, die dem Verein das ganze Jahr als Trainingsplatz dienen und bei jeder Witterung genutzt werden, werden sich am Tag des Turniers kaum im Idealzustand präsentieren.

Weiteres Potenzial liegt auch in der Wahl der Prüfungen. Kategorien auf höheren Niveaus haben kaum eine Chance, genügend Nennungen zu erhalten, zumindest nicht, wenn in unmittelbarer Nähe zeitnah ein Turnier auf Sand stattfindet. Die Kreativität der Veranstalter ist gefragt: Zum Beispiel könnten Prüfungen mit kleinen Naturhindernissen oder Prüfungen, die mit viel Spass verbunden sind, grössere Chancen haben, viele Nennungen zu erhalten.

Thema: Organisationsmanagement, Finanzierung und Attraktivität

Publikum: Die Anforderungen an die Veranstalter steigen kontinuierlich: hochwertige Infrastruktur, höhere Preisgelder, bessere Rahmenveranstaltungen usw. Wie können sich Vereine, Organisatoren und Interessierte schulen und weiterbilden, so dass sie diesen Anforderungen gewachsen sind?

Antwort des Leitungsteams Springen:

Glücklicherweise gibt es wohl fast in jedem Verein Personen, die bereits solche Fähigkeiten mitbringen. Ansonsten gibt es privatwirtschaftliche Angebote, sich in diesem Bereich weiterzubilden, und einzelne Regionalverbände haben in der Vergangenheit ebenfalls bereits Kurse zu solchen Themen angeboten.

 

Publikum: Bei grösseren Turnierangeboten, sei es national oder international, geht es nicht zuletzt um das Thema der Finanzierung. Dies sowohl aus Sicht der Organisatoren als auch von Seiten der Reiterinnen und Reiter. Wie findet man heute, im sonst schon stark umkämpften Sporteventmarkt, noch Partner und Sponsoren für langfristige Finanzierungen, die nachhaltig in den Reitsport investieren?

Antwort des Leitungsteams Springen:

Mit dieser Problematik sehen sich sehr viele Sportarten und Events konfrontiert. Der SVPS ist bestrebt, die Attraktivität des Pferdesports zu erhalten und nach Möglichkeit weiter zu steigern. Zudem leistet der SVPS auch direkte finanzielle Unterstützung, beispielsweise bei Nachwuchsturnieren, SM-Qualifikationsprüfungen der Elite sowie Schweizermeisterschaften der Elite und aller Nachwuchskategorien der Disziplin Springen.

Um langfristige Sponsoren zu finden, ist insbesondere eine emotionale Bindung wichtig. Hier müssen Organisatoren innovative Wege finden, um an Geldgeber heranzukommen und die aktuellen Sponsoren zu halten - beispielsweise über einen «Tag der offenen Stalltür», eine Einladung zum Ponyreiten für die Familie des (potenziellen) Sponsors, ein Teamevent mit Pferden für die Mitarbeitenden der betreffenden Firma usw.

Den Vereinsconcours mit einem Flohmarkt für die breite Öffentlichkeit verbinden - so werden mehr Besucher auf den Turnierplatz gelockt und konsumieren dann in der Festwirtschaft des Vereins.  |  © imago Den Vereinsconcours mit einem Flohmarkt für die breite Öffentlichkeit verbinden - so werden mehr Besucher auf den Turnierplatz gelockt und konsumieren dann in der Festwirtschaft des Vereins. | © imago

Publikum: Was kann konkret getan werden, um die Öffentlichkeit anzulocken, wenn man weiss, dass der Sport an sich nicht ausreicht? Eine gute Festwirtschaft? Attraktionen für Kinder? Eine Reiterparty am Abend?

Antwort des Leitungsteams Springen:

Das Problem heutzutage ist wohl, dass ein Überangebot herrscht und jeder in nächster Nähe diverse Möglichkeiten hat, seine Freizeit zu gestalten. Zudem ist es leider tatsächlich so, dass die traditionellen, ländlichen Turniere mit Dorffestcharakter immer mehr verdrängt werden, da der Sport selbst auf Amateurniveau immer professioneller wird. Trotzdem gibt es die kleinen geselligen Turniere nach wie vor und sie haben auch ihre Berechtigung. Solange eine Nachfrage besteht, wird es auch ein Angebot geben.

Kreative Lösungen sind sicher immer interessant, um ein breiteres Publikum anzulocken. Warum nicht eine Zusammenarbeit mit dem örtlichen Hundeclub oder Mountainbikeverein anstreben und gemischte Prüfungen mit Spassfaktor anbieten? So kommen ganz neue Leute auf den Geschmack von pferdesportlichen Dorffesten.

 

Publikum: Warum werden nicht mehr Turniere organisiert, wo mehrere Disziplinen vor Ort sind?

Antwort des Leitungsteams Dressur:

Für ein Turnier, an welchem mehrere Disziplinen gleichzeitig stattfinden können, braucht es eine entsprechende Infrastruktur. Standorte mit mehreren Reitplätzen und/oder Hallen sowie geeigneten Parkplatzmöglichkeiten usw. stehen in der Schweiz nur sehr wenige zur Verfügung. Neben der Infrastruktur ist zudem ein grosses, über mehrere Disziplinen fachkundiges Organisationskomitee, zahlreiche Helfer und ein entsprechendes Budget nötig. Das sind grosse Herausforderungen, aber vielleicht eine spannende Option, um die Vielfalt des Pferdesports aufzuzeigen und grössere Sponsoren anzulocken.

 

Publikum: Wir vom CC Frauenfeld haben 2018 entschieden, anstelle von Jump-Green (reine Cross-Prüfung, keine Dressur und kein Springen) wieder CCB1 (Prüfung mit Dressur, Springen und Cross) durchzuführen, um erneut mehr Qualität in der Prüfung zu fördern. Fehlt es den Veranstaltern nicht einfach an Mut, mit Angeboten wie Stilprüfungen ein Zeichen für mehr Reitqualität zu setzen?

Antwort des Leitungsteams Concours Complet:

Stilprüfungen dürfen gemäss Artikel 11.28 des Springreglements in allen Kategorien durchgeführt werden. Bei den Veranstaltern werden meist der etwas grössere Aufwand, der Zeitplan, die möglicherweise nicht ganz vollen Prüfungsfelder und die Mehrkosten für den zusätzlichen Stilrichter als Argumente genannt, diese Kategorie nicht auszuschreiben. Von Verbandsseite wird es sehr begrüsst, wenn mehr solche Prüfungen angeboten würden, da sie einen guten Lerneffekt für Pferd und Reiter haben und dabei die Harmonie zwischen Mensch und Tier auch gegenüber der breiten Öffentlichkeit ersichtlich wird.

Jede Randsportart freut sich über ein breiteres Publikum am Turnier. Ein Zusammenschluss von Hundeclub und Reitverein des Dorfes könnte gewinnbringende Synergien schaffen.  |  © imago Jede Randsportart freut sich über ein breiteres Publikum am Turnier. Ein Zusammenschluss von Hundeclub und Reitverein des Dorfes könnte gewinnbringende Synergien schaffen. | © imago

Thema: Nennzeitpunkt Schweiz vs. FEI/Frankreich

Publikum: Den Nennzeitpunkt möglichst kurzfristig vor der Veranstaltung zu terminieren, birgt viele Vorteile. Dies wird so an internationalen Turnieren wie auch an nationalen beispielsweise in Frankreich so gehandhabt. In der Schweiz muss man jedoch in den meisten Fällen bereits einen Monat im Voraus nennen. Wieso ist das so?

Antwort des Leitungsteams Springen:

Der SVPS bzw. die Reglemente schreiben keine Termine für den Nennschluss vor. Diese werden vom Veranstalter gewählt. Die Zeiten von Programmheften mit Inseraten der Sponsoren und gedruckten Startlisten sind mehrheitlich vorbei. Doch je nach Veranstalter, unabhängig davon, ob es der kleine Reitverein oder ein professioneller Organisator ist, wird für die Planung und Vorbereitung mehr oder weniger Zeit benötigt. Zu wissen, wie viele Nennungen eingehen, ist für einige Veranstalter immer noch ein wesentlicher Faktor in Bezug auf die Planung ihres Turniers.

Thema: Digitale Prüfungen

Publikum: Wäre die Digitalisierung eine Möglichkeit von Vergleichsprüfungen vor Ort bzw. zu Hause? Das gäbe weniger Verkehr und wäre auch je nach aktuellen Corona-Massnahmen eine gute Möglichkeit, sich zu messen und von einem Richtergremium beurteilen zu lassen.

Antwort des Leitungsteams Dressur:

Digitalisierung wird auch im Verband grossgeschrieben und ist auch nach der COVID-19-Pandemie im Auge zu behalten. Das Punkterichten per Video eignet sich unserer Meinung nach eher für den Dressur-, weniger für den Springsport. Insbesondere in der COVID-Zeit war diese Art der Prüfungsdurchführung eine sinnvolle und gute Alternative und auch der Umweltgedanke ist absolut gerechtfertigt.

Es gilt jedoch zu bedenken, dass bei digitalen Prüfungen beispielsweise das Vorbereiten der Pferde nicht beaufsichtigt wäre und auch die Prüfungsgegebenheiten wie Boden- und Witterungsverhältnisse bei den einzelnen Konkurrentinnen und Konkurrenten unter Umständen nicht gleich sind. Somit können solche Prüfung allenfalls eine Ergänzung des Angebots darstellen, aber die traditionellen Prüfungen vor Ort nicht ersetzen.

 

Nicole Basieux

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