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Tokio, wir kommen!

10 Mai 2021 09:00

Man wagt noch gar nicht recht daran zu glauben und doch bereiten sich die Athletinnen und Athleten mit Hochdruck auf die Olympischen Spiele und die Paralympics im «Land der aufgehenden Sonne» vor. Die Schweiz ist in allen Pferdesportdisziplinen dieses Weltfests des Sports vertreten. Die einzelnen Reiterinnen und Reiter, die sich Chancen auf eine Olympiateilnahme ausrechnen, verfolgen eine strategische Saisonplanung gemäss den Vorgaben ihrer Disziplin.

Zwar ist bereits sicher, dass die Schweiz im Springen und im Concours Complet je ein komplettes Team und in der Dressur und der Para-Dressage je eine Einzelreiterin bzw. einen Einzelreiter nach Tokio entsenden kann, doch wer genau die heiss begehrten Startplätze erobern wird, steht noch offen. In den Selektionskonzepten der einzelnen Disziplinen ist individuell definiert, welche Voraussetzungen die Olympiakandidatinnen und -kandidaten erfüllen müssen. Aber angesichts der aktuellen Corona- und Herpessituation, die jegliche Planung über den Haufen wirft, braucht es immer wieder Alternativen und viel Flexibilität.

Nebst den Auflagen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) via den internationalen Pferdesportverband FEI hat auch Swiss Olympic in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) seine Qualifikationsvoraussetzungen für die Olympischen Spiele von Tokio festgelegt. Letztere können strenger ausfallen als jene des IOC. Falls mehr Athletinnen und Athleten die Hauptkriterien für eine Olympiateilnahme erfüllen als Quotenplätze zur Verfügung stehen, entscheidet die Selektionskommission des Fachverbands, also des SVPS, aufgrund von weiteren Kriterien, beispielsweise der Formkurve von Pferd und Reiterin bzw. Reiter, welche Athletinnen und Athleten Swiss Olympic zur Selektion vorgeschlagen werden.

Springen

Die Schweizer Springreiterinnen und Springreiter können mit einem vollständigen Team nach Japan reisen, also mit vier Reiterinnen und Reitern. Nebst den beiden Teamleadern Steve Guerdat und Martin Fuchs gelten insbesondere Bryan Balsiger, Beat Mändli und Niklaus Schurtenberger als Topkandidaten für ein Ticket nach Tokio. Aber: Die Türen sind offen, die Qualifikationsphase läuft!

Wir möchten mit einer Medaille - sei es in der Teamwertung oder im Einzel - aus Japan zurückkehren.

Unter all den Reiterinnen und Reitern, welche die IOC-Kriterien erfüllt haben, werden insbesondere die Leistungen an den Nationenpreisen am CSIO in St. Gallen Anfang Juni und kurz darauf in La Baule (FRA) für den Selektionsentscheid richtungsweisend sein. Aber auch die Ergebnisse an anderen CSI werden in die Beurteilung miteinbezogen.

Das offizielle Selektionsdatum der Disziplin Springen ist der 5. Juli 2021.

Der Equipenchef Michel Sorg hat sich für sein Team folgende Ziele gesetzt: «Wir haben in der Schweiz das Glück, Reiter und Pferde in unserem Land zu haben, die zu den Besten der Welt gehören. Deshalb haben wir uns für die Olympischen Spiele in Tokio hohe Ziele gesteckt: Wir möchten mit einer Medaille - sei es in der Teamwertung oder im Einzel - aus Japan zurückkehren. Die grösste Unbekannte ist heute die Vorbereitungsphase bis zu den Olympischen Spielen. Die Gesundheitslage rund um die COVID-19-Pandemie macht eine Planung der verschiedenen Etappen schwierig, namentlich hinsichtlich der Nationenpreise, die enorm wichtig sind, um ein sportlich starkes, aber auch geeintes Team zu bilden. Komme, was wolle: Wir sind bereit und extrem motiviert für die Olympischen Spiele, den Traum aller Athletinnen und Athleten.»

Concours Complet

Erstmals seit Atlanta 1996 kann die Schweiz in der Königsdisziplin des Pferdesports wieder ein ganzes Team aus vier Reiterinnen und Reitern an die Olympischen Spiele entsenden. Die Motivation in der Schweizer «Vielseitigkeitsfamilie» könnte kaum grösser sein! So können Felix Vogg, Robin Godel und Caroline Gerber gleich auf mehrere Pferde zählen, die das Potenzial für Tokio haben, aber auch Eveline Bodenmüller, Mélody Johner und Patrick Rüegg werden alles daransetzen, beim Abenteuer Olympia mit dabei sein zu können. Und auch im CC gilt: Die Qualifikationsphase läuft noch!

Wir streben einen Diplomrang - also eine Platzierung in den Top 8 - mit der Mannschaft an.

Auch im Concours Complet wurde der offizielle Saisonstart 2021 wegen Corona und Herpes hinausgezögert, sodass in dieser Disziplin bereits der «Plan B» des Selektionskonzepts in Aktion tritt. Die internationalen Vielseitigkeitsturniere in Strzegom (POL), Marbach (GER), Montelibretti (ITA), Baborówko (POL) und Luhmühlen (GER) sowie die Schweizermeisterschaft im Rahmen des CCI4* in Avenches Ende Juni werden Gradmesser der Leistungskurve der potenziellen Olympiakandidatinnen und -kandidaten sein.

Das offizielle Selektionsdatum der Disziplin Concours Complet ist der 1. Juli 2021.

Equipenchef Dominik Burger sagt dazu: «Mit dem schwierigen Start in die Saison mussten wir viel Flexibilität beweisen, was uns gelang. So konnten wir uns dieses Frühjahr plus minus gemäss unserer Planung gut vorbereiten. Die Pferde sowie die Reiterinnen und Reiter sind gesund und wir freuen uns nun auf den Vergleich mit der internationalen Elite. Schliesslich werden fünf Reiterinnen und Reiter mit ihren Pferden in die Quarantäne nach Aachen gehen, dann vier nach Tokio fliegen und drei zum Einsatz kommen. Wir streben einen Diplomrang - also eine Platzierung in den Top 8 - mit der Mannschaft an, ein ambitiöses Ziel, aber wir wollen es versuchen, sind voll motiviert und haben unsere Strategie!»

Dressur

Während die Schweizer Dressurreiterequipe vor 57 Jahren an den letzten Olympischen Spielen von Tokio brillierte (siehe Kasten), kann die Disziplin dieses Jahr nur eine Reiterin bzw. einen Reiter ins grosse Viereck schicken. Den Quotenplatz für die Schweiz erritten hat Birgit Wientzek Pläge, deren neues Spitzenpferd sich jedoch noch im Aufbau befindet. Somit macht sich insbesondere die amtierende Elite-Schweizermeisterin Estelle Wettstein auf den Weg der Olympiaselektion mit entscheidenden Stationen an den CDIs von Hagen (GER) Ende April, München (GER) Mitte Mai und Achleiten (AUT) Mitte Juni.

Die Zielsetzung für die Schweizer Reiterin bzw. den Schweizer Reiter ist eine Klassierung in der ersten Hälfte, also unter den Top 30.

Doch das Rennen um den Olympiaplatz ist offen, und auch andere Kandidatinnen und Kandidaten können mit entsprechenden Resultaten in Ornago (ITA), Compiègne (FRA), eventuell Rotterdam (NED) oder weiteren Turnieren die Mindestanforderungen der FEI erfüllen und sich für eine Olympiateilnahme empfehlen.

Das offizielle Selektionsdatum der Disziplin Dressur ist der 17. Juni 2021.

Die Equipenchefin ad interim Evelyne Niklaus erklärt das Olympiaformat in der Dressur und die Ziele für Tokio wie folgt: «Die neue Regelung sieht vor, dass man sich für die 18 Startplätze der Kürprüfung, in der die Einzelmedaillen vergeben werden, direkt aus dem Grand Prix qualifizieren muss. Es kommen jeweils die zwei Besten aus den sechs Startgruppen plus die sechs nach diesen zwölf Qualifizierten am höchsten Bewerteten (‹overall best of the rest›) weiter. Es kann also durchaus entscheidend sein, welcher Startgruppe man zugeteilt wird. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Regelung auf die Rangierungen auswirken wird. Die Zielsetzung für die Schweizer Reiterin bzw. den Schweizer Reiter ist eine Klassierung in der ersten Hälfte, also unter den Top 30. Der Grand Prix Spezial ist neu das reine Teamfinale.»

Para-Dressage

Auch an den Paralympics, die vom 24. August bis am 5. September 2021 in Tokio ausgetragen werden, wird die Schweiz mit einer Reiterin in der Disziplin Para-Dressage vertreten sein. Die aussichtsreichste Kandidatin ist derzeit Nicole Geiger, die bereits im Februar am CPEDI3* Ornago (ITA) eines der zwei erforderlichen Resultate über 69% erreicht hat. Die zweite Elitekaderreiterin der Disziplin Para-Dressage, Flore Espina, konnte aufgrund der aktuellen Lage zwar noch nicht viel internationale Turniererfahrung sammeln, ist aber hoch motiviert, an die Weltspitze vorzudringen.

Es wäre toll, wenn sich die Schweizer Athletin im ‹Individual Test› ihres Grades unter den Top 8 platzieren und sich damit fürs Kürfinale qualifizieren könnte.

Da auch in der Para-Dressage jüngst mehrere Turniere abgesagt werden mussten, können gemäss Selektionskonzept von Swiss Olympic für den Selektionsentscheid die Resultate der Jahre 2019 und 2020 sowie das Trainerurteil für die Selektion herangezogen werden.

Offizielles Selektionsdatum der Disziplin Para-Dressage ist der 5. Juli 2021.

Die Chefin Sport und Elitekaderverantwortliche der Disziplin Para-Dressage, Caroline Häcki, äussert sich vorsichtig zur Potenzialbeurteilung für die Paralympics: «Aufgrund der vielen Corona- und Herpes-bedingten Turnierabsagen ist eine Einschätzung des aktuellen Leistungsniveaus unserer Para-Dressage-Athletinnen im internationalen Vergleich schwierig. Die wichtigste Phase der Selektionsperiode beginnt in den nächsten Wochen, und wir hoffen, dass die geplanten Turniere unserer Athletinnen auch wirklich durchgeführt werden. Diese entscheidende Phase soll die Leistungskurve der Paare aufzeigen und wird zusammen mit anderen Kriterien ausschlaggebend sein für die Selektion. Die Paralympics und die Olympischen Spiele sind nicht zuletzt auch deshalb etwas Besonderes, weil man sich dort mit Paaren von anderen Kontinenten misst, denen man bis dahin an internationalen Turnieren kaum begegnet ist. Es wäre selbstverständlich toll, wenn sich die Schweizer Athletin im ‹Individual Test› ihres Grades unter den Top 8 platzieren und sich damit fürs Kürfinale qualifizieren könnte.»

 

Cornelia Heimgartner

Erinnerungen an die Olympischen Spiele von Tokio 1964

Die japanische Hauptstadt trug erstmals 1964 die Olympischen Spiele aus. Auch 1940 war Tokio für die Austragung der Spiele vorgesehen, musste sie aber nach dem Ausbruch des Japanisch-Chinesischen Kriegs am 16. Juli 1938 an das IOC zurückgeben.

Die Spiele von Tokio 1964 bleiben den Schweizer Pferdesportfans in guter Erinnerung. Denn wenn auch die sonstige Ausbeute der Schweizer Delegation nicht riesig war, zwei der insgesamt vier Medaillen wurden von Dressurreitern nach Hause geholt. Einzelgold für Henri Chammartin, Team Silber für Henri Chammartin, Gustav Fischer und Marianne Gossweiler. Die weiteren Medaillen der Schweizer Delegation gewannen Eric Hänni im Judo Leichtgewicht (Silber) sowie Gottfried Kottmann im Rudern Einzel (Bronze).

Die Schweiz entsandte insgesamt 66 Sportler, davon 65 Männer und 1 Frau - Marianne Gossweiler.
Sie war damit auch die erste weibliche Schweizer Teilnehmerin an Olympischen Sommerspielen überhaupt.

Blütezeit des Schweizer Dressursports
Bereits seit den 1950er-Jahren gehörten die Schweizer Dressurreiter zu den besten der Welt und lieferten sich spannende Wettkämpfe mit Nationen wie Deutschland, Schweden oder der Sowjetunion. Dies war auch in Tokio 1964 nicht anders. Nach dem Grand Prix führte der Deutsche Harry Boldt mit Remus vor den beiden Schweizern Henri Chammartin auf Woermann und Gustav Fischer auf Wald. Zusammen mit den Punkten von Marianne Gossweiler auf Stephan auf Platz sieben reichte dies für die Mannschaftssilbermedaille, nur 32 Punkte hinter Deutschland, aber klar vor der Sowjetunion.

Das Stechen der besten sechs änderte die Positionen: Chammartin überholte Boldt und wurde Olympiasieger, der Russe Filatow, der im Stechen fünf Punkte mehr als Chammartin und damit die höchste Punktzahl erhielt, überholte Fischer, der auf Platz vier zurückfiel.

Die Schweizer Equipe wurde nach ihrer Rückkehr in die Schweiz begeistert gefeiert. Henri Chammartin wurde in der Folge Ende 1964 von den Schweizer Sportjournalisten ausserdem zum Sportler des Jahres gewählt, als erster Pferdesportler überhaupt.

Und die Springreiter?
Bei den Springreitern, welche die Medaillen der Einzel- und der Teamwertung in einem einzigen Springen erringen mussten, beeinflusste der tiefe Boden nach tagelangem Regen den Ausgang der Prüfung. Die drei Schweizer am Start, Max Hauri mit Millview, Paul Weier mit Satan und Hans Möhr mit Troll, platzierten sich als Neunte.

In der Disziplin Concours Complet waren keine Schweizer Reiter am Start.

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