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Wie wird man Meister*in der Pferdebranche?

17 April 2024 08:40

Hätten Sie es gewusst? Es gibt eine «Meisterprüfung» für Spezialisten und Spezialistinnen der Pferdebranche. Was dieser Lehrgang zum Experten oder zur Expertin der Pferdebranche beinhaltet und für wen er gedacht ist, erfahren Sie in diesem Artikel. Und das Beste daran: Der nächste Meisterlehrgang soll schon ganz bald stattfinden.

Gastbeitrag des Bildungszentrums Inforama

Früher gab es den eidgenössisch diplomierten Reitlehrer, bzw. die eidgenössisch diplomierte Reitlehrerin. Diese Ausbildung war sehr angesehen in der Branche und fand ausschliesslich in Elgg bei Paul Weier statt. Dazumal waren Ton und Umgang noch eher militärischer Natur: «Im Vergleich zu heute würde man das wohl als ‹harte Schule› bezeichnen», erläutert Patrick Rüegg. Er ist der Koordinator der höheren Berufsbildung Pferde am Inforama und unterrichtet in der Grundbildung wie auch in der höheren Berufsbildung. Nur Leute mit genügend Durchhaltewillen haben die Ausbildung gemacht und auch durchgezogen. Und die Lehrgangsteilnehmenden mussten auf einem beträchtlichen Niveau praktisch und theoretisch fit sein. Nach dieser Ära gab es noch einen weiteren Lehrgang in Bern, organisiert vom damaligen Schweizerischen Verband für Berufsreiter und Reitschulbesitzer (SVBR), heute Swiss Horse Professionals (SHP).

Reform musste her
Danach gab es mehr als zwölf Jahre lang keine Meisterprüfung mehr. Für 2017/18 hat dann das INFORAMA einen neuen Lehrgang inkl. Meisterprüfung ausgearbeitet. Nach der neuen Prüfungsordnung konnte somit der erste Lehrgang Experte bzw. Expertin der Pferdebranche durchgeführt werden. Damals nahmen fünf Teilnehmende diese Herausforderung in Angriff und vier davon haben die Prüfung erfolgreich bestanden: Christophe Borioli, Salome Lüdi, Tiziana Realini und Susanne Ritz. Alle vier reiten in ihrer Disziplin auf Topniveau und sind auch in verschiedensten Funktionen in der Branche tätig – zum Beispiel als Experten bei Lehrabschlussprüfungen oder als Leiterinnen bei sogenannten überbetrieblichen Kursen.

Im Lehrgang zur Expertin oder zum Experten der Pferdebranche mit eidgenössischem Diplom besuchen die Teilnehmenden diverse praktische und theoretische Module. © INFORAMA Im Lehrgang zur Expertin oder zum Experten der Pferdebranche mit eidgenössischem Diplom besuchen die Teilnehmenden diverse praktische und theoretische Module. © INFORAMA

«Selbstmotivation muss da sein»
Dieser Lehrgang zur Expertin der Pferdebranche ist ausschliesslich für Leute gedacht, die bereits die Prüfung zum Spezialisten der Pferdebranche abgelegt haben. Auch wenn jemand noch den Abschluss mit der alten Berufsbezeichnung, also Bereiter mit Berufsprüfung, absolviert hat, werden sie zum Lehrgang zugelassen. Diese Weiterbildung ist für alle Fachrichtungen offen. «Alle brauchen zusätzlich zwei Jahre Berufserfahrung nach ihrem jeweiligen Abschluss, was meistens aber kein Problem darstellt», ergänzt Patrick Rüegg. «Wir wünschen uns für diesen Lehrgang Berufsleute, die fest in der Pferdebranche verankert sind, die selbst im Sport noch aktiv reiten und Schüler haben, die sie unterrichten». Im besten Fall seien es Leute, die bereit sind dazuzulernen und die sich noch weiterentwickeln und diese höchste Ausbildungsstufe erreichen wollen. «Eine gewisse und nicht zu unterschätzende Selbstmotivation muss ebenfalls da sein», empfiehlt der Ausbildner.

Wer den Lehrgang mit anschliessender «Meisterprüfung» absolvieren will, sollte offen sein, sich weiterzuentwickeln, und braucht eine gute Portion Selbstmotivation. © Nicole Basieux Wer den Lehrgang mit anschliessender «Meisterprüfung» absolvieren will, sollte offen sein, sich weiterzuentwickeln, und braucht eine gute Portion Selbstmotivation. © Nicole Basieux

Alle Fachrichtungen als Einheit zusammen
Weil der Lehrgang sehr individuell gestaltet ist und die Teilnehmenden schon einen ziemlich grossen Rucksack an praktischem und theoretischem Wissen mitbringen, sollen sie während dieser Ausbildung auch ein bisschen über den Tellerrand hinausschauen und so vielleicht von der einen oder anderen Fachrichtung, die sie nicht kennen, etwas profitieren.

Wie im Berufsprüfungslehrgang gibt es auch hier diese sogenannten Querschnittsmodule. Diese sind für alle Fachrichtungen gleich und beinhalten vorwiegend betriebswirtschaftliche Fächer oder auch Persönlichkeitsentwicklung sowie Themen wie beispielsweise Doppellongen- oder Handarbeit, die grundsätzlich mit jedem Pferd gemacht werden kann, egal in welcher Disziplin oder Fachrichtung es spezialisiert ist. «So generiert jeder Kandidat zum einen in seiner Fachrichtung den Lernzuwachs, zum anderen aber auch indem die Teilnehmenden gemeinsam etwas Neues oder weniger bekanntes entdecken», sagt Patrick Rüegg. Er ist überzeugt, dass sich so andere Perspektiven eröffnen, die den angehenden Experten und Expertinnen dabei helfen, ihre Komfortzone zu verlassen und sich so weiterzuentwickeln.

Neben all den verschiedenen Modulen, die die Kandidaten besuchen, gibt es das Modul «Eventmanagement und Öffentlichkeitsarbeit», das von Salome Wägeli unterrichtet wird. Sie ist Betriebsleiterin des Nationalen Pferdezentrums Bern kurz NPZ. «Dies ist für alle Beteiligten ein spannendes Modul, weil die Teilnehmenden einen Event von A bis Z durchführen», erklärt Rüegg. Der letzte Anlass sei eine öffentliche Tagung im NPZ gewesen, und die angehenden Experten der Pferdebranche hätten alles selbst organisiert: vom Finanziellen über die Fachinhalte bis hin zur ganzen Gastronomie. Das Gelernte wird also direkt praktisch und im echten Leben angewandt, was enormen Lernzuwachs verspricht. Gleichzeitig gilt der in diesem Rahmen organisierte Anlass oder die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit als Modulabschlussprüfung.

Die angehenden Expertinnen der Pferdebranche werden während des Lehrgangs regelmässig von Fachspezialisten der Branche individuell bei ihren Projekten betreut. © Nora Jeker Die angehenden Expertinnen der Pferdebranche werden während des Lehrgangs regelmässig von Fachspezialisten der Branche individuell bei ihren Projekten betreut. © Nora Jeker

Projektarbeit mit eigenem Pferd und eigenem Schüler
Ein weiterer Kernpunkt der höheren Weiterbildung ist, dass die Teilnehmenden mit einem oder mehreren Pferden in den Lehrgang einsteigen. Sie zeigen zu Beginn des Lehrgangs, was die Pferde bereits in ihrer Disziplin können. Dann werden die Herausforderungen für das Lehrgangsjahr festgelegt mit dem Ziel, das Pferd weiterzuentwickeln. «Nach ungefähr fünf bis sechs Lehrgangstagen wird dem Expertenteam das Pferd präsentiert. Die Experten werden anschliessend das Projekt entweder genehmigen oder noch ergänzen. Wenn sie das Gefühl haben, der Lernzuwachs ist zu gering, kann es auch vorkommen, dass ein Projekt abgelehnt wird», so Patrick Rüegg.
Dasselbe müssen die Teilnehmenden auch mit einem oder mehreren Schülern, die sie während diesem Jahr betreuen, machen. Dies kann anhand eines Videos geschehen, woraus die Experten evaluieren können, wie der Schüler reitet und was seine Herausforderungen sowie die des Pferdes sind. Dieses Coaching dauert im Durchschnitt etwa 13 oder 14 Monate. In der Zwischenzeit werden die angehenden Expertinnen in ihren Projekten mit Hilfestellungen und praktischen Tipps unterstützt und begleitet. Auch halten sie alles in einem Dossier fest.

Am Ende des Lehrgangs werden die Pferde wie auch die Schüler erneut dem gleichen Expertenteam vorgeführt. Letzteres bewertet dann den Lernzuwachs der vier- und zweibeinigen Schützlinge. «Das ist ebenfalls ein äusserst spannender Teil dieser Ausbildung, denn die Teilnehmenden können eins zu eins mit Pferden und Schülern aus ihrem betrieblichen Umfeld arbeiten», sagt der Koordinator vom INFORAMA. Auch sei es immer von Vorteil, wenn mehrere Pferde und auch mehrere Schülerinnen zur Verfügung stehen würden, falls es mal Ausfälle geben sollte. Das INFORAMA plant den nächsten Expertenlehrgang im Schuljahr 2025/26 zu organisieren.

Nicole Basieux

Die eigene Sportkarriere wie auch das Betreuen und Begleiten von Schülerinnen und Schülern sind Teil des Lehrgangs zur Expertin der Pferdebranche. © Nicole Basieux Die eigene Sportkarriere wie auch das Betreuen und Begleiten von Schülerinnen und Schülern sind Teil des Lehrgangs zur Expertin der Pferdebranche. © Nicole Basieux

Weitere Informationen

> Höhere Fachprüfung Experte/Expertin der Pferdebranche mit eidg. Diplom
Voraussichtlicher Start: August 2025
Interessensbekundung: https://www.inforama.ch/berufsbildung/pferdeberufe/interessensbekundungen-pferdebranche

> Lehrgang Spezialist/in Pferdebranche mit eidg. Fachausweis
Start: August 2024
Anmeldeschluss: 30. April 2024

> Ausschreibung zum Lehrgang Spezialist/Spezialistin Pferdebranche 2024–2025
> Anmeldeformular Lehrgang 2024–2025
pferdeberufe.ch > Höhere Berufsbildung

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