Zwar ist es umzingelt von Hochhäusern, Tramgeleisen und Stadtverkehr - und trotzdem ist es ein wahrlich schöner grüner Flecken Erde: das Nationale Pferdezentrum in Bern. Sobald man das Gelände betritt, lässt man die städtische Hektik augenblicklich hinter sich. Und ein Tor zur Geschichte, zur Schweizer Armee wie auch zur Entwicklung des Pferdes in unserer Gesellschaft tut sich auf. Das «Bulletin» stellt in dieser Artikelserie drei Nationale Pferdezentren der Schweiz vor: Avenches, Bern und Ostschweiz. Tauchen Sie in dieser Ausgabe in die Welt des NPZ Bern ein.
Das Nationale Pferdezentrum (NPZ) Bern ist heute ein modernes und breit aufgestelltes Dienstleistungsunternehmen, das den Fokus auf das Pferd, den Pferdesport, die Armeepferde sowie die Ausbildung in diversen Pferdeberufen gerichtet hat. Im Jahr 1997 wurde das NPZ Bern in seiner heutigen Form als Genossenschaft gegründet. Es hatte aber bereits zu diesem Zeitpunkt eine über hundertjährige Geschichte, die man beim Herumspazieren förmlich spüren kann. Ein kurzer Rückblick:
Ausbildung der Militärpferde
1890 wird das Kavallerie-Remonten-Depot (KRD) gegründet, mit der Hauptaufgabe, neu angekaufte Remonten, also Jungpferde, für das Militär auszubilden. Bereits ein Jahr zuvor wurde die Kavalleriepferde-Kuranstalt erbaut, die aus Krankenstallungen, einer Apotheke und einer Dienstwohnung für den Veterinär bestand. Über 50 Jahre blieb das KRD ein wichtiger Stützpunkt der Kavallerie. 1952 war dann das Geburtsjahr der Eidgenössischen Militärpferdeanstalt (EMPFA). Die Eidgenössische Pferderegieanstalt in Thun wurde aufgelöst und der Standort Bern zur alleinigen Pferdeanstalt der Armee. Mehr als 500 Mitarbeiter und bis zu 1200 Pferde waren damals in Bern stationiert. Die EMPFA-Bereiter feierten national und international grosse Erfolge, wie im Buch «120 Jahre Pferdesport Schweiz» des SVPS nachgelesen werden kann.
Abschaffung der Kavallerie
Im Jahr 1972 wurde die Kavallerie in der Schweiz abgeschafft, dies hatte ein Jahr später auch Einfluss auf die EMPFA. Bei der Reorganisation wurde nicht nur der Pferdebestand massiv reduziert, sondern auch grosse Teile der Anlage mussten weichen. Eine Reithalle und sechs Stallgebäude wurden abgerissen. 25 Jahre später, 1997, wurde die EMPFA geschlossen und das NPZ gegründet. Aus der Initiative der Bürger der Stadt Bern und von diversen Verbänden sowie Organisationen aus der Pferdebranche entstand die Genossenschaft NPZ, die seitdem Dienstleistungen rund ums Pferd zum Wohle der Schweizer Pferdebranche anbietet und Tradition und Moderne erfolgreich verbindet. Das NPZ Bern bleibt seinen Wurzeln dennoch treu und erbringt immer noch diverse Leistungen für das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) rund um das Pferd in der Armee.
Zuhause der Armeepferde
Jedes Jahr selektioniert und kauft das NPZ Bern Reitpferde für die Schweizer Armee - ausschliesslich Schweizer Warmblutwallache im Alter von zweieinhalb Jahren. Im Frühjahr ziehen sie als dreijährige Pferde ins NPZ ein, werden angeritten sowie eingefahren und absolvieren den Feldtest. Anschliessend dürfen sie den Sommer in der Herde auf der Weide verbringen. Im Herbst geht es dann weiter mit einer sehr breiten und soliden Grundausbildung, die sie auf ihr Leben als Militärpferd vorbereitet: Dressur, Springen, Geländetraining und Fahren. Im Alter von fünf Jahren werden sie nach Bestehen einer Abschlussprüfung das erste Mal ins Militär eingezogen.
Vielfältige Aufgaben
Die eingekauften und im NPZ Bern ausgebildeten Reitpferde sind auch nach ihrer Militarisierung im NPZ zu Hause. Sofern sie nicht durch einen Offizier gekauft werden, kehren sie nach jedem Militäreinsatz ins NPZ zurück. Das NPZ-Team pflegt die Pferde und bereitet sie auf ihren nächsten Einsatz vor. Sie werden täglich bewegt, geritten oder gefahren und erhalten eine vertiefte reiterliche Ausbildung. Je nach Eignung werden die Pferde auch bei der berittenen Berner Polizei, in der Reitschule, in der Lehrlingsausbildung oder im Voltige eingesetzt. Die Armeepferde dienen bis ins Alter von 16 Jahren im Militär.
Veterinäre und Hufschmiede vor Ort
Wenn Armeepferde im Dienst erkranken oder sich verletzen, kommen sie in die sogenannte Kuranstalt des NPZ. Dort werden sie durch Tierärzte behandelt und durch das NPZ-Team gepflegt. Die Freiberger und die Maultiere, die ihren Dienst als Saumtiere absolvieren, kehren nach ihrer Genesung nach Hause zurück, und die Reitpferde erhalten durch die Bereiter ein sorgfältiges Aufbautraining, bis sie wieder im Militär eingesetzt werden können. Auch die Hufpflege der Reitpferde in der Armee wird vollumfänglich durch das NPZ-Hufschmiedeteam übernommen.
Beeindruckende Besuchstage
Neben den Aktivitäten im Nationalen Pferdezentrum in Bern sind die Angestellten des NPZ auch auswärts für die Armee im Einsatz, so beispielsweise im «Sand», dem Kompetenzzentrum Veterinärdienst und Armeetiere Sand-Schönbühl. Einen äusserst spannenden Einblick vom Sand kann man an den jeweiligen Besuchstagen im Frühjahr und im Herbst erhalten. Neben den Reitpferden der Armee werden auch die sogenannten «Bündler» im NPZ ausgebildet. Bündler werden die Freibergerpferde und die Maultiere genannt, die im Train im Einsatz sind - die Trainbundespferde.
Berufe rund ums Pferd erlernen
Im NPZ werden nicht nur die Vierbeiner ausgebildet und auf ihre Aufgaben vorbereitet. Denn das NPZ bildet auch Lernende in verschiedenen Pferdeberufen aus. Folgende Ausbildungen können auf dieser geschichtsträchtigen Anlage inmitten der Schweizer Hauptstadt absolviert werden:
- Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis EFZ Pferdefachfrau/Pferdefachmann
- Eidgenössisches Berufsattest EBA Pferdewart/Pferdewartin
- Stipendium «Nachwuchs für die Schweizer Pferdewelt»
- Tiermedizinische/r Praxisassistent/in TPA
- Hufschmied/in
- Lehrstellen für lernbeeinträchtigte Jugendliche - in Zusammenarbeit mit Bildungswege Steinhölzli
Die Ausbildung von Pferden, Pferdesporttreibenden und Pferdeberufsleuten ist ein zentrales Anliegen des NPZ Bern. | © NPZ Bern
Beste Bedingungen für SVPS-Kader
Das NPZ wird auch von diversen Kadern des Schweizerischen Verbands für Pferdesport für offizielle Trainings und Zusammenzüge rege genutzt. Dabei spielt neben der hervorragenden Infrastruktur auch die geografische Lage im Mittelland eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt können Kadertrainings im NPZ durch Gelder aus einem speziellen Fonds des Bundes unterstützt werden. Es handelt sich hierbei um das Nationale Sportanlagenkonzept, kurz NASAK. Dieses Planungs- und Koordinationsinstrument für Sportanlagen von nationaler Bedeutung hat zum Ziel, gute Trainings- und Wettkampfvoraussetzungen für die nationalen Sportverbände im Infrastrukturbereich zu erhalten oder neu zu schaffen und dadurch die Konkurrenzfähigkeit der Schweiz im Sport und bei der Durchführung bedeutender internationaler Sportanlässe zu stärken.
Ausserdem ist der SVPS offizieller Genossenschafter des NPZ - zusammen mit der Bernexpo AG, dem Kanton Bern, der Stadt Bern, dem Zuchtverband CH-Sportpferde (ZVCH), dem Zentralschweizerischen Kavallerie- und Pferdesportverband (ZKV), der AM Suisse (ehemals Schweizerische Metall-Union) sowie der Schweizerischen Traingesellschaft (STG).
Auf der Website sind viele weiterführende interessante Informationen sowie das gesamte Angebot des NPZ - Trainings, Online-Belegungspläne, Veranstaltungen und Ausbildungsmöglichkeiten - zu finden: www.npz.ch
Sollte man noch nie dort gewesen sein, dann lohnt es sich allemal, diese grüne Pferdeoase inmitten der Hauptstadt zu besuchen, ein bisschen Geschichte zu schnuppern und die Seele baumeln zu lassen.
Nicole Basieux
Geschirr- und Wagensammlung der ehemaligen EMPFA
Die Geschirr- und Wagensammlung der ehemaligen Eidgenössischen Militärpferdeanstalt (EMPFA) gehört zum nationalen Erbe der Eidgenossenschaft und beherbergt Zeitzeugen aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert. Die Eidgenössische Pferderegieanstalt in Thun (1850-1950) galt zu ihrer Zeit als Institut von Weltruf. Ihr Erbe trat 1950 das Kavallerie-Remonten-Depot (KRD) in Bern und später die EMPFA an. Alle drei Institute sind selbst auch schon Geschichte.
Die Geschirr- und Wagensammlung der EMPFA wurde im Jahr 2016 mit weiteren Ausstellungsstücken aus den goldenen Zeiten der EMPFA ergänzt. So befinden sich unter anderem Trophäen, Fotos, olympische Medaillen von international erfolgreichen EMPFA-Bereitern (z. B. Henri Chammartin, Gottfried Trachsel, Gustav Fischer) in der Ausstellung. Die Sammlung ist im Besitz des Bundes und wird durch die Zentralstelle für Historisches Armeematerial (ZSHAM) betreut. Das NPZ bietet Führungen an.